Abrissbagger arbeiten sich durch das Dorf Lützerath – Widerstand bröckelt

Die Räumung des Braunkohleortes Lützerath westlich von Köln macht am zweiten Tag weitere Fortschritte. Zahlreiche Holzhütten und Barrikaden der Aktivisten wurden von Baggern zerstört. Die Besetzer ließen sich meist ohne große Gegenwehr wegtragen. Einige waren dabei den Tränen nah. Auch zwei symbolträchtige Häuser der einstigen Bewohner von Lützerath wurden geräumt. Dort flogen Feuerwerkskörper in Richtung der Einsatzkräfte, wie Reporter berichten. Eine Beamtin wurde leicht verletzt.

Lützerath Räumung Aktvistin

Polizisten tragen eine Umweltaktivistin aus dem Dorf weg

“Die Räumung der überirdischen Strukturen ist weitgehend abgeschlossen”, sagte Aachens Polizeipräsident Dirk Weinspach dem Westdeutschen Rundfunk. “Wir haben fast alle Häuser geräumt bis auf eins.” Auch Großteil der Baumhäuser sei geräumt. “Insofern bleibt gar nicht mehr so viel über”, so der Polizeipräsident.” Insgesamt sieben Wohnhäuser und etwa 25 Baumhäuser müssen von der Polizei geräumt werden.

Allerdings stießen die Einsatzkräfte auf unterirdische Gänge, in denen sich Aktivisten verschanzten. Wie lange es dauern werde, die Menschen ins Freie zu holen, sei nicht abzusehen, betonte Weinspach. “Wir wissen nicht, wie stabil diese unterirdischen Bodenstrukturen sind. Wir wissen auch nicht, wie die Luftzufuhr dort ist.”

Massiver Zaun

Der Energiekonzern RWE, dem Lützerath inzwischen gehört und der die Braunkohle unter dem Ort für die Stromerzeugung gewinnen will, errichtete einen massiven Zaun rund um das Dorf. So soll die Anreise weiterer Demonstranten verhindert werden. Trotzdem machte sich vom Nachbarort Keyenberg aus ein Demonstrationszug auf den Weg nach Lützerath. Die Polizei sprach von etwa 800 Teilnehmern. Einige Demonstranten wurden von der Polizei gestoppt und eingekreist, darunter die Klima-Aktivistin Luisa Neubauer und Greenpeace-Vorstand Martin Kaiser. Sie wurden schließlich von Polizisten weggetragen. Die Demonstranten wollen den Abbau der Kohle unter Lützerath verhindern und warnen vor den Folgen für das Klima durch die Kohle-Verbrennung.

Räumung von Lützerath durch Polizei geht weiter

Am Donnerstagmorgen mussten die Besetzer bereits den symbolträchtigen Duisserner Hof aufgeben, den der als “letzter Bauer von Lützerath” bekannt gewordene Besitzer bis zuletzt gegen die Enteignung verteidigt hatte. Das Gebäude war zu einem bildstarken Symbol des Widerstands gegen den Braunkohle-Tagebau Garzweiler geworden.

Rauchbomben und Raketen

Auch in einem zweiten Gebäude, dem sogenannten Paulahof mit einer aufgemalten Regenbogen-Flagge auf der Fassade, begann die Räumung. Als die Polizei vorrückte, flogen Rauchbomben und Raketen in Richtung der Beamten. Doch Angriffe auf Polizeibeamte bleiben nach Einschätzung von Beobachtern die Ausnahme. Im Großen und Ganzen war der Protest gewaltfrei.

Lützerath Räumung Bildergalerie

Ein Aktivist hängt an einem Seil vor einem besetzten Haus

Einige Aktivisten hatten sich mit Kleber in ihren Holzhütten festgeklebt. Beamte konnten sie aber schnell lösen. Andere ketteten sich an oder betonierten ihre Arme ein, um die Räumung zu erschweren. “Wir haben Erfahrung mit Lock-ons aller Art”, sagte ein Polizeisprecher.

Auch aus den in bis zu zehn Meter Höhe errichteten Baumhäusern ließen sich Besetzer von Höhenrettern ohne große Gegenwehr nach unten holen. Anschließend schnitten Polizisten die Halteseile durch, so dass Baumhäuser krachend in die Tiefe stürzten und zerbrachen.

Belastungsprobe für Grünen

Für die Grünen wird die Räumung zunehmend zur Belastung: Sowohl im Bund als auch im Land Nordrhein-Westfalen ist die Partei an der Regierungskoalition beteiligt und trägt die Erweiterung des Braunkohletagebaus Garzweiler mit. Aus Protest besetzten rund 30 Aktivisten am Donnerstag die Parteizentrale der nordrhein-westfälischen Grünen in Düsseldorf, wie ein Parteisprecher bestätigte. Die Parteispitze wies darauf hin, dass im Rahmen eines Kompromisses zum Tagebau Garzweiler der Kohleausstieg im bevölkerungsreichsten deutschen Bundesland um acht Jahre auf 2030 vorgezogen wurde.

kle/bru (dpa, epd)