Afrikas Arbeitskrise: Immer mehr junge Leute ohne Stelle

Steven Moyo steht jeden Tag um fünf Uhr morgens auf und sucht auf den Straßen der Wirtschaftsmetropole Johannesburg nach Arbeit. Er spricht mit Autofahrern an den Kreuzungen, bietet seine Dienste an – Moyo ist Elektriker. An guten Tagen verdient er höchstens 30 Euro. Aber diese Tage werden immer weniger.

Südafrika steckt in einer tiefen Rezession, verstärkt durch die Jahre der Coronapandemie. “Die Situation ist schlimmer geworden. Niemand ist da, der uns einstellen könnte”, sagte Moyo im DW-Interview. Er wisse nicht, woher er Geld für Essen und Miete bekommen solle.

Kein Geld zum Leben

Geschichten wie diese gibt es in Südafrika viele. In Kapstadt sprach die DW mit der Mittzwanzigerin Namhla Mcimbi. Ihr Studium der Psychologie musste sie abbrechen, weil sie die Studiengebühren nicht mehr bezahlen konnte – so rutschte sie in die Arbeitslosigkeit ab. Vielen ihrer Kommilitonen erging es ähnlich.

77 SA Unemployed youths (Foto: Julia Jaki/DW)

Namhla Mcimbi (Dritte v.l) mit Freundinnen bei einem Bummel in Kapstadt, doch ihr Geld reicht nicht für Einkäufe

Für einen möglichen Ausweg seien jedoch Kontakte wichtig, sagte Mcimbi: “Die Leute bringen ihre Cousins und Cousinen, ihre Schwestern in Betrieben unter, so dass es für dich als Unbekannte schwer ist, einen Job zu bekommen.”

Namibia, Nigeria, Südafrika: Arbeitslosigkeit über 30 Prozent

Die wirtschaftliche Lage in Südafrika ist katastrophal: Etwa jeder zweite junge Mensch unter 34 Jahren ist arbeitslos. Die Arbeitslosenquote hat sich nach offiziellen Angaben zwar leicht erholt, gehört aber mit 32,7 Prozent im vierten Quartal 2022 immer noch zu den höchsten auf dem Kontinent und weltweit.

Weitere Spitzenreiter sind Namibia und Nigeria, die zuletzt laut dem US-Medienunternehmen Bloomberg die höchsten Quoten weltweit aufwiesen. Auch Dschibuti und Eswatini lagen zuletzt weit vorne. 2050 wird laut Schätzungen ein Viertel der weltweit arbeitenden Bevölkerung auf dem Kontinent leben.

Südafrika: Debatte um Grundeinkommen

In Südafrika war es wegen der horrenden Jugendarbeitslosigkeit im Juli 2021 sogar zu Plünderungen in Johannesburg und Durban gekommen. Präsident Cyril Ramaphosa sah sich gezwungen, eine Sozialhilfe für Arbeitslose von rund 18 Euro einzuführen, betont Patrick Bond, Soziologe und Wirtschaftsökonom an der Universität Johannesburg. “Das ist ein Zeichen für die Verzweiflung des Staates, das Problem mit Geld zuzuschütten”, sagt er im DW-Interview.

Symbolbild Südafrika soziale Ungleichheit | Johannesburg Unruhen in Township (Foto: James Oatway/Getty Images)

Während des Lockdowns 2021 kam es zu Plünderungen von Geschäften in Südafrikas Townships

Doch Bond hält dieses Vorgehen für nicht zielführend. Er plädiert für einen Grundeinkommenszuschuss mit einem viel höheren Betrag von mindestens 40 Euro pro Monat, um die lebensnotwendigen Kosten für Nahrung und Unterkunft zu decken.

Aber das Haupthindernis dafür seien die internationalen Finanzen und der Druck der Ratingagenturen – die hohen Auslandsschulden setzten den Finanzminister unter den Druck, Budgets zu kürzen und Soziallöhne zu begrenzen. Die politischen Debatten um ein mögliches Grundeinkommen in Südafrika halten an.

Arbeitsplätze fehlen – auf dem Land und in der Stadt

DieBeschäftigungskrise auf dem Kontinent südlich der Sahara verschärft sich laut einer Studie des Afrika-Referats der Friedrich-Ebert-Stiftung, die der Wirtschaftswissenschaftler und Afrika-Experte Robert Kappel zusammengestellt hat. Darin heißt es: “Jedes Jahr suchen etwa 20 Millionen Menschen einen Arbeitsplatz, den es weder auf dem Land noch in der Stadt gibt.”

Südafrika Pretoria Proteste von Arbeitern gegen hohe Lebenshaltungskosten (Foto: Esa Alexander/REUTERS)

Zu hohe Kosten: In Pretoria protestieren südafrikanische Arbeit gegen die ansteigenden Strompreise im Land

Ein weiteres Beispiel für die große Lücke zwischen Jobangebot und Jobnachfrage ist Uganda: 400.000 junge Ugander kommen laut einer Studie jährlich auf den Arbeitsmarkt und konkurrieren um lediglich etwa 52.000 verfügbare formale Arbeitsplätze. Es sei hohes Beschäftigungswachstum notwendig, um die steigenden sozialen Herausforderungen zu bewältigen.

Uganda: Eigeninitiative ist gefragt

In Uganda sind derzeit mehr als 1,2 Millionen junge Menschen mit Ausbildungsabschlüssen ohne Stelle. So auch Maureen Babidiye: Sie absolvierte eine Ausbildung für Reisemanagement in einer Flugschule und ist jetzt seit zwei Jahren arbeitslos. Nach Praktika in Firmen versuchte Babidiye, einen Job in einer Airline-Besatzungscrew zu bekommen – ohne Erfolg: “Der Wettbewerb ist groß und ohne Kontakte läuft da nichts”, erzählt sie der DW. Jetzt versucht sie, sich selbständig zu machen – mit einer eigenen Reiseagentur, die sie über Kontakte online aufbauen will.

Solar Kiosk Laden in Uganda bringt Energie und Jobs (Foto: DW)

Uganda: In Eigeninitiative ist ein Geschäft für Solarenergie entstanden

Eigeninitiative ist genau das, was laut Charles Ocici, Direktor der Stiftung Enterprise Uganda, heutzutage zählt: “Jobs gibt es wenige, und sie werden weiter verloren gehen. Das gilt nicht nur für Uganda, sondern weltweit”, sagte Ocici zur DW: “Die Tage sind vorbei, wo alles nach Drehbuch ging – zur Schule gehen, hart studieren und dann eine Stelle erhalten.” Man müsse umdenken, und offen sein, sich auf wertvolle Art in den Markt einzubringen. Als Angestellter oder aber mit einem eigenen privaten Unternehmen. “Viele Leute unterstützen eher die, die eine offene Haltung haben, um ein Geschäft zu öffnen.”

Angst vor ‘arabischem Frühling’

Die hohe Unzufriedenheit gerade in der jungen Bevölkerung bereite dem Establishment in Südafrika zunehmend Sorge, das einen weiteren ‘arabischen Frühling’ fürchte, sagt Soziologe Bond. Beginnend mit Protesten in Tunesien revoltierten ab 2010 Jugendliche in zahlreichen arabischen Staaten gegen das politische System.

Marokko, Rabat | Proteste gegen Preiserhöhungen und zum Jahrestag des Arabischen Frühlings (Foto: picture alliance/dpa/AP)

In Marokko protestieren Menschen zum Jahrestag des Arabischen Frühlings gegen Preiserhöhungen

In Südafrika werde dieses Szenario oft als Bedrohung durch eine Regierungspartei dargestellt, die sich einst sehr für die Rebellion der Jugend einsetzte, jetzt aber Teil der Unterdrückung des Volkes sei, weil sie der westlichen Wirtschaftspolitik folge, so Bond.

Wenn der Westen Südafrika weiter zur Rückzahlung seiner Schulden zwinge und das Land weniger Geld für Beschäftigungsprogramme und Sozialleistungen zur Verfügung habe, riskiere er, dass sich das Land sich weiter in Richtung der BRICS-Staaten Russland, China und Indien und diktatorischer Regime wie Iran, Saudi-Arabien orientiere.

Für Namhla Mcimbi in Kapstadt kam nach dem Frust ein Hoffnungsschimmer: Sie wandte sich an Harambee Youth Employment Accelerator, ein gemeinnütziges Sozialunternehmen, das Jugendbeschäftigung durch Partnerschaften fördert. Dort lernte sie grundlegende Voraussetzungen, um einen Job zu finden. Schon wenig später hatte sie eine befristete Stelle als Lehrassistentin gefunden.

Mitarbeit: Frank Yiga, Jane Nyingi

Massenarbeitslosigkeit in Südafrika