Berichte: Verluste für Nationalisten bei Wahl in Bosnien

Nach Auszählung von 61 Prozent der Stimmen führt im Rennen um den bosniakischen Sitz im Staatspräsidium der Sozialdemokrat Denis Becirovic mit 55 Prozent der Stimmen vor dem Vorsitzenden der muslimisch-nationalistischen SDA-Partei, Bakir Izetbegovic, der 41 Prozent erreichte. Die örtlichen Berichte beruhen auf Angaben aus den Parteizentralen, denen die Teilergebnisse vorlagen. Mit offiziellen Ergebnissen wird erst an diesem Montag gerechnet.

Bosnien und Herzegowina | Parlamentswahlen | Denis Becirovic

Denis Becirovic gibt in Tuzla seine Stimme ab

Der Sieg von Becirovic würde bedeuten, dass zum ersten Mal seit zwölf Jahren kein SDA-Politiker im Staatspräsidium von Bosnien-Herzegowina vertreten wäre. Im Rennen um den kroatischen Sitz dürfte sich den Teilergebnissen zufolge der bisherige Amtsinhaber, der Reformer Zeljko Komsic, durchgesetzt haben. Auf ihn sollen 67 Prozent der Stimmen entfallen sein.

Der serbische Sitz dürfte hingegen in den Händen von Nationalisten bleiben. Die Kandidatin der im serbischen Landesteil regierenden SNSD, Zeljka Cvijanovic, soll 60 Prozent der Stimmen auf sich vereinigt haben. Sie ist eine Vertraute des serbischen Separatisten Milorad Dodik, der bislang den serbischen Sitz im Staatspräsidium innehatte. Er kandidierte diesmal für den Präsidentenposten im serbischen Landesteil und liegt den Berichten zufolge vorne.

Bosnien und Herzegowina | Parlamentswahlen | Milorad Dodik

Milorad Dodik, Spitzenpolitiker der bosnischen Serben, verlässt das Wahllokal in Laktasi

Komplexes Wahlsystem

Die Wahlen in Bosnien und Herzegowina fanden vor dem Hintergrund wachsender ethnischer Konflikte  statt. Die Abstimmung war so komplex wie das Land selbst. Auf der Ebene der gesamtstaatlichen Institutionen bestimmten die Wählerinnen und Wähler neben dem Staatspräsidium das Bundesparlament, die Parlamente in den beiden weitgehend selbstständigen Landesteilen, die Präsidentschaft in der Serbischen Republik (RS) und die Kantonsverwaltungen in der bosnisch-kroatischen Föderation.

Wahlen in Bosnien: Wie gespalten ist das Land? (21.09.2022)

Auf gesamtstaatlicher Ebene besteht die Präsidentschaft aus einem Kroaten, einem bosniakischen Muslim und einem Serben, die sich alle acht Monate im Vorsitz abwechseln. Die Zentralregierung ist für das Militär, das Justizsystem, die Steuerpolitik, den Außenhandel und die Diplomatie zuständig. Die Teilstaaten haben ihre eigenen Polizei-, Bildungs- und Gesundheitssysteme.

Die Langzeitfolgen von Dayton

Das komplexe und wenig funktionsfähige politische System in dem Balkanstaat ging aus dem Dayton-Abkommen von 1995 hervor, mit dem der Bürgerkrieg der 1990er Jahre beendet worden war. Seit 1995 ernennt der UN-Sicherheitsrat einen Hohen Repräsentanten, der die Umsetzung des Friedensabkommens überwacht. Derzeit hat der Deutsche Christian Schmidt das Amt inne. Der Gesandte ist formal befugt, in die Gesetzgebung einzugreifen und gewählte Politiker abzusetzen. Ursprünglich sollte das Amt 2007 auslaufen, doch wegen der politischen Instabilität und des Versagens der örtlichen Politiker wurde das Mandat verlängert.

kle/wa (dpa, rtr, afp)