Frankreich schlägt England und steht im Halbfinale der WM

Englands Kapitän begrub sein Gesicht in den Händen. Fassungslosigkeit machte sich breit. Es war die 84 Minute im Spiel, als Harry Kane zum Elfmeter antrat. Einen Strafstoß hatte er zuvor im Spiel bereits gegen seinen Teamkollegen von den Tottenham Hotspur, Hugo Lloris, sicher verwandelt. Doch diesmal verließen ihn die Nerven. Der Ball flog über die Latte in den katarischen Nachthimmel und die Chance zum Ausgleich war dahin. Vereinzelt sah man schon Tränen bei den England Fans, die einen Großteil der 60.000 Zuschauer im Al-Bait Stadion ausmachten. Der Fehlschuss war ein Schock, von dem sich England in der Folge nicht mehr erholen würde. So stand am Ende ein 2:1 Sieg der Franzosen, die damit ins Halbfinale einziehen und dort auf Marokko treffen. 

“Es ist fabelhaft, denn es war ein großes Spiel gegen eine sehr gute englische Mannschaft”, sagte Frankreichs Trainer Didier Deschamps nach dem Spiel. “Es ist wunderbar, wieder unter die letzten vier zu kommen. Das muss man auskosten, ein WM-Halbfinale ist etwas ganz Besonderes.” Besonders stolz sei er auf den Zusammenhalt in seinem Team. “In dieser Mannschaft steckt eine Menge Qualität, aber auch eine gute Mentalität und eine gute Einstellung. Wir haben ihnen mit zwei Elfmetern ein wenig Munition gegeben, aber wir haben dieses Ergebnis mit Herz und Kampf verteidigt.”

Ein ruhiger Abend für Kylian Mbappe

Der Fokus lag vor der Partie klar bei Kylian Mbappe, der schon vor Anpfiff bei fünf Turnier-Toren und damit im jungen Alter von 23 insgesamt schon bei neun WM-Toren stand. Doch es sollte ein ruhiger Abend für den Starspieler von Paris Saint-Germain werden, andere Spieler standen heute im Mittelpunkt. Aurelien Tchouameni hatte Frankreich in der ersten Halbzeit mit einem Traumtor in Führung gebracht. In der 17. Minute bekam der 22-Jährige von Real Madrid den Ball von Antoine Griezman aufgelegt und hämmerte ihn aus 25 Metern unhaltbar in die linke Ecke des englischen Tors. 

In einem der besten Spiele des Turniers bisher lieferten sich beide Mannschaften einen offenen Schlagabtausch und kreierten viele hochkarätige Chancen. Zur Pause blieb es allerdings beim Stand vom 1:0 für Frankreich. England kam besser aus der Kabine und antwortete mit wütenden Angriffen. Doch es bedarf der Hilfe von Tchouameni, der Bukayo Saka im Strafraum unbeholfen von den Beinen holte. Harry Kane schnappte sich den anschließenden Elfmeter und schob den Ball überlegt vorbei an Lloris in die linke Torecke (54.). Mit seinem 53. Tor für die “Three Lions” zog Kane mit Wayne Rooney als Englands Rekordtorschütze gleich. 

Frankreich weiter auf Kurs “Titelverteidigung”

Nun ging es hin und her. Zunächst köpfte Harry McGuire den Ball nach einer Standardsituation an den Außenpfosten (70.). Eine Viertelstunde vor Schluss hatte dann Frankreich die Riesenchance zur Führung, doch Olivier Giroud fand seinen Meister im starken englischen Torhüter Jordan Pickford (77.). Nur eine Minute später machte es Frankreichs Stürmer besser. Nach einer perfekten Flanke von Griezmann nickte der 36-jährige den Ball aus kurzer Distanz ins Netz. Es war bereits der vierte Treffer des Franzosen bei dieser WM und der 53. im Trikot der “Equipe Tricolore”. Dann kam die 86. Minute, in der Kane die große Chance zum Ausgleich per Elfmeter vergab. In der Folge war bei den Engländern die Luft raus.

Englands Kapitän Harry Kane fasst sich an den Kopf, nachdem er einen Elfmeter gegen Frankreich verschossen hatte.

Ein enttäuschter Harry Kane nach seinem verschossenen Elfmeter gegen Frankreich

Frankreich spielte die letzten zehn Minuten routiniert runter und kann somit weiterhin die erste Nation seit Brasilien 1962 werden, die den WM-Titel erfolgreich verteidigt. “Leider war es nicht unser Abend”, gab Englands Trainer Gareth Southgate zu. “Man muss Frankreich Respekt zollen, sie sind eine sehr gute Mannschaft. Trotzdem hatte ich das Gefühl, dass wir das Spiel hätten gewinnen können.” Er sei stolz auf die Leistungen seines Teams in Katar. “Ich habe den Spielern gesagt, dass sie nicht mehr hätten geben können, sie haben gegen ein Spitzenteam wirklich gut gespielt. Es sind Kleinigkeiten, die das Spiel entschieden haben.”

Antoine Griezmann als Dreh- und Angelpunkt

Dazu gehört auch der wiedererstarkte Antoine Griezmann. Der Weltmeister von 2018 ist Dreh-und Angelpunkt des französischen Spiels. Auch gegen England brillierte er wieder als Spielgestalter, beide Tore der Franzosen bereitete er vor. Zum 72. mal stand der 31-jährige für Frankreich in Folge auf dem Feld. Zwar ist Griezmann seit zwölf Spielen ohne eigenen Treffer, doch für die Mannschaft war er nie wichtiger. Kein Spieler hat im laufenden Turnier mehr Chancen kreiert als er. Mit seinen zwei Assists gegen England zog er an der Spitze der historischen Vorlagen-Liste der Equipe Tricolore an Zinedine Zidane und Thierry Henry vorbei. 

Frankreichs Antoine Griezmann schlägt eine Flanke von der Seitenauslinie

Antoine Griezmann ist Dreh- und Angelpunkt des französischen Spiels

Während Frankreich nun im WM-Halbfinale gegen Marokko antritt, geht die englische WM-Durststrecke hingegen weiter. Letztmals hatten die “Three Lions” 1966 im eigenen Land triumphiert – nach einem 4:2-Sieg nach Verlängerung im Finale gegen Deutschland. Nach dem Spiel hatte Liverpools Mittelfeldspieler Jordan Henderson noch ein paar tröstende Worte für Harry Kane übrig: “Mit seinen vielen Toren hat er dazu beigetragen, dass wir überhaupt soweit gekommen sind. Er ist unser Kapitän und wird umso stärker zurückkommen.” Die nächste Möglichkeit, sein Team bei einer Weltmeisterschaft zum Titel zu führen hat Kane 2026 in den USA, Kanada und Mexiko.