Leon Goretzka – Kampf um einen Stammplatz

Nach dem Abpfiff saß er fassungslos auf der Bank und starrte minutenlang vor sich hin. Der FC Bayern hatte im wichtigsten Duell der Saison den Sieg verschenkt und er, Leon Goretzka, der den deutschen Rekordmeister auf die vermeintliche Siegerspur geführt hatte, war sichtlich konsterniert.

“Ich denke, es gibt zwei Optionen. Auf der einen Seite müssen wir das 3:0 machen, da sind wir zu leichtfertig mit den Chancen umgegangen”, so der defensive Mittelfeldspieler gegenüber dem WDR. “Die andere Option ist dann einfach besser zu verteidigen. Das haben wir beides nicht geschafft.” 

Dabei hatte doch alles so gut angefangen. Er, ein Kind des Ruhrgebiets, ehemals bei Bochum und dann bei Schalke spielerisch und mit der Rivalität mit Dortmund aufgewachsen, hatte in der Startelf gestanden und nach rund einer halben Stunde die Bayern in Führung gebracht. 

“Die Auswärtsspiele in Dortmund sind immer die besten, weil hier immer eine besondere Stimmung herrscht”, erklärte Goretzka nach der Partie gegenüber Sky. Natürlich müsse man dabei aufpassen, um die Fans nicht besonders zu provozieren, so Gortzeka.

Jamal Musiala hatte im Strafraum das Auge für den vor dem Sechzehner stehenden Goretzka gehabt. Der hatte nicht lange gefackelt und flach in die Ecke abgezogen (33. Minute). Es war die erste Torchance für die Bayern gewesen, die gleich effektiv und kaltschnäuzig genutzt wurde.

Goretzka derzeit ohne Stammplatzgarantie

Für Goretzka war dieses 23. Tor für die Bayern ein ganz wichtiges. Denn nach einem verletzungsgeplagten Jahr hat er seinen unumstrittenen Stammplatz sowohl bei den Bayern als auch in der Nationalmannschaft verloren. Bereits zu Beginn des Jahres hatte der 27-Jährige Probleme mit der Patellasehne im linken Knie.

Damals entschied man sich, die Verletzung konservativ zu behandeln. Als in der Vorbereitungszeit im Sommer wieder Probleme auftraten, war eine Operation nicht mehr zu umgehen. “Der Zustand ist vor allem für ihn untragbar. Er möchte spielen”, erklärte damals Trainer Julian Nagelsmann.  

In der 33. Minute schießt Leon Goretzka das Führungstor für die Bayern

Leon Goretzka und sein erfolgreiche Torschuss in der 33. Minute

So verpasste Goretzka die ersten Bundesliga-Partien, erst am fünften Spieltag gegen Union Berlin durfte er die letzten fünf Minuten spielen. Nun muss er sich in dem stark besetzten Kader des Rekordmeisters erst mal wieder beweisen. Dies hat er zuletzt in der Champions League gegen Pilsen, bei seinem erst dritten Startelfeinsatz in dieser Saison, eindrucksvoll mit zwei Assists getan. “Es liegt in meiner DNA und auch in der von den anderen Jungs, dass sie auf dem Platz stehen wollen. Das ist schon mein Anspruch, das habe ich auch klar gesagt.”

Goretzkas Qualitäten: torgefährlich, Gegenpressing, Box-to-Box-Spiel

Nagelsmann weiß um die Qualitäten seiner Nummer acht. Besonders sein “Box-to-Box”-Spiel, sein “gutes Gegenpressing” und die “Torgefährlichkeit im Sechzehner” zeichnet ihn laut seines Trainers aus. 

Genau das hat er im wichtigen Spiel gegen Dortmund gezeigt – unter der genauen Beobachtung des Bundestrainers Hansi Flick, der sich das Spiel live im Stadion ansah. Allerdings sah dieser auch, dass Goretzka zum Ende der Partie die Kräfte ausgingen und ihm einige Fehlpässe unterliefen und die Bayern – trotz des weiteren Tores von Leroy Sané (53. Minute) – durch das Anschlusstor von Moukoko (75.) und den Ausgleichstreffer von Anthony Modeste (90.+ 5) den Sieg herschenkten.

90.+5. Minute: Anthony Modeste köpft den Ball zum 2:2-Ausgleich ins Tor der Bayern

90.+5. Minute: Anthony Modeste köpft den Ball zum 2:2-Ausgleich ins Tor der Bayern

“Insgesamt haben wir ein gutes Spiel gemacht, haben den Gegner komplett dominiert, allerdings zum Schluss die letzte Konsequenz fehlen lassen”, meinte Goretzka. 

Die Kondition und die Spielpraxis fehlen Goretzka also noch. Die kann er sich jedoch relativ schnell wieder erarbeiten. Immerhin hat das Tor ihm wieder ein Stück Selbstbewusstsein gegeben – und das benötigt er dringend, um nicht nur bei den Bayern, sondern auch in der Nationalmannschaft wieder Stammspieler zu werden. Bereits in sechs Wochen beginnt die WM in Katar.