Polen: Unterhaus verabschiedet Gesetz zur Justizreform

Eine Mehrheit der Abgeordneten im Sejm, der ersten Kammer des polnischen Parlaments in Warschau, hat für den Entwurf der nationalkonservativen Regierungspartei Recht und Gerechtigkeit (PiS) votiert. Mit dem Gesetzentwurf soll das von der EU-Kommission heftig kritisierte Disziplinarsystem für Richter weiter geändert werden. Wegen der Eingriffe der PiS-Regierung in die Unabhängigkeit der Gerichte in Polen blockiert Brüssel die Auszahlung von 35 Milliarden Euro aus dem Corona-Wiederaufbaufonds an das Land.

Morawiecki: Schwieriger Kompromiss

Der Gesetzestext muss jetzt allerdings noch den Senat, die zweite Parlamentskammer, passieren und von Präsident Andrzej Duda unterzeichnet werden, bevor er in Kraft treten kann. Polens Ministerpräsident Mateusz Morawiecki sprach von einem “schwierigen Kompromiss”, bei dem es in erster Linie darum gehe, den Konflikt mit der EU zu beenden. “Wir wollen diesen Streit im Westen beenden, denn der wahre Feind, der wahre Gegner ist im Osten”, sagte er laut der Agentur PAP mit Blick auf den russischen Angriffskrieg in der Ukraine.

Der kleine Koalitionspartner der PiS, Solidarna Polska, stimmte gegen den Gesetzentwurf. Die wichtigsten Oppositionsparteien enthielten sich im Sejm, nachdem ihre Änderungsvorschläge abgelehnt worden waren. “Dieser Gesetzentwurf stellt die Rechtsstaatlichkeit nicht wieder her”, sagte Wladyslaw Kosiniak-Kamysz, der Vorsitzende der oppositionellen Bauernpartei PSL, vor der Abstimmung.

Oberster Gerichtshof in Warschau

Der Oberste Gerichtshof in Warschau

Die seit 2015 regierende PiS hat in den vergangenen Jahren immer mehr Einfluss auf das Justizwesen des Landes genommen. Die EU-Kommission stieß sich besonders an der 2018 eingeführten Disziplinarkammer am Obersten Gerichtshof, die jeden Richter oder Staatsanwalt entlassen konnte. Im Juli 2021 urteilte der Europäische Gerichtshof, dass Polen damit gegen europäisches Recht verstößt. Im Juli 2022 wurde die Disziplinarkammer schließlich aufgelöst. Stattdessen wurde eine “Kammer für berufliche Verantwortung” am Obersten Gericht eingerichtet. Mit dieser Änderung wurden jedoch nicht alle Bedingungen der EU-Kommission erfüllt. Der nun vom Parlament in Warschau verabschiedete Gesetzentwurf sieht unter anderem vor, dass für Disziplinarangelegenheiten künftig statt des Obersten Gerichts das Oberste Verwaltungsgericht zuständig sein soll.

Ein Sprecher der EU-Kommission erklärte nach der Abstimmung, man werde die nächsten Schritte aufmerksam verfolgen und das Gesetz dann in seiner endgültigen Form analysieren.

se/wa (dpa, afp, ap)