Pro Asyl fordert Stopp von Abschiebungen in den Sudan

“Die Bundesregierung kann nicht weiter zusehen, dass Menschen angedroht wird, in ein Gebiet abgeschoben zu werden, in dem ein bewaffneter Konflikt stattfindet”, sagte der flüchtlingspolitische Sprecher der Organisation, Tareq Alaows, dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND). Ungefähr die Hälfte der sudanesischen Flüchtlinge in Deutschland sei nur geduldet und damit von Abschiebung bedroht. Alaows betonte mit Blick auf die jüngste Evakuierungsaktion der Bundeswehr für deutsche und andere Staatsbürger: “Wir können nicht einerseits Menschen evakuieren und andererseits Menschen abschieben.”

Die niedersächsische Innenministerin Daniela Behrens (SPD) hatte auf Bundes- und Länderebene einen formalen Abschiebestopp gefordert. Angesichts der Kämpfe im Sudan sind Abschiebungen aber derzeit ohnehin kaum möglich, weil Flüge in das Krisenland zu gefährlich sind. Berlins Innensenatorin Iris Spranger (ebenfalls SPD) hatte vor einigen Tagen einen Abschiebestopp erlassen. Ausnahmen gelten allerdings für Straftäter mit nicht geringen Vergehen, bei sogenannten aufenthaltsrechtlichen Gefährdern und für Personen, die sich hartnäckig der Identitätsfeststellung verweigern.

Berlin | Tareq Alaows vor dem Reichstagsgebäude

Der flüchtlingspolitische Sprecher der Organisation Pro Asyl, Tareq Alaows

2022 wurden nach Angaben der Bundesregierung nur elf Menschen in den Sudan zurückgebracht, wie das RND berichtet. Nach Auskunft des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge wurden im März 183 Anträge auf Asyl gestellt, es gab eine Anerkennung als Asylbewerber und 21 Anerkennungen als Flüchtlinge. Aktuell seien 297 Verfahren anhängig. 

Feuerpause erneut gebrochen

Trotz einer vereinbarten Waffenruhe war es im Sudan am Samstag wieder zu heftigen Kämpfe gekommen. Über die Hauptstadt Khartum flogen Kampfflugzeuge, wie ein Bewohner der Nachrichtenagentur AFP sagte. Als Reaktion auf die Luftangriffe seien Luftabwehrgeschosse abgefeuert worden. Ein anderer Augenzeuge sagte, es habe auch an der Zentrale des staatlichen Rundfunksenders in Khartums Nachbarstadt Omdurman Gefechte gegeben.

Destabilisiert der Konflikt im Sudan die ganze Region? (27.04.2023)

Im Sudan kämpfen seit nunmehr drei Wochen Armeeeinheiten unter dem Kommando von Armeechef Abdel Fattah al-Burhan gegen die von dem General Mohamed Hamdan Daglo angeführte Miliz Rapid Support Forces (RSF). Mehr als 500 Menschen wurden seitdem getötet. Am Dienstag trat eine unter Vermittlung der USA ausgehandelte 72-stündige Feuerpause in Kraft, die am Donnerstag kurz vor Ablauf noch einmal um 72 Stunden verlängert wurde. Allerdings wurden bisher alle Waffenruhen gebrochen.

In Khartum versuchen viele Menschen weiterhin, vor den Kämpfen zu fliehen. Elektrizität und Leitungswasser gibt es nicht mehr, Internet und Telefon funktionieren nur noch sporadisch. Benzin, Bargeld und Lebensmittel werden knapp. Mehrere zehntausend Flüchtlinge sind bereits in den Nachbarländern angekommen, vor allem in Äthiopien und Ägypten.

Großer Konvoi in Port Sudan eingetroffen

Die Evakuierung von Ausländern läuft inzwischen überwiegend über das Meer. Am Samstag erreichte ein von den USA organisierter Fahrzeugkonvoi die Hafenstadt Port Sudan. Wie das US-Außenministerium mitteilte, waren neben US-Bürgern auch Ortskräfte aus dem Sudan und Staatsangehörige verbündeter Länder an Bord. Sie sollten nun über das Rote Meer nach Dschiddah in Saudi-Arabien gebracht werden. US-Medien berichteten, in dem Konvoi befänden sich 300 Menschen, vor allem US-Amerikaner. Der Konvoi sei von bewaffneten Drohnen des US-Militärs begleitet worden.

Sudan Warten auf Evakuierung in Port Sudan

In Port Sudan warten viele Ausländer auf die Überfahrt nach Saudi-Arabien

Andere Länder, darunter Deutschland, Frankreich und Großbritannien, hatten ihre Staatsbürger in den vergangenen Tagen per Flugzeug in Sicherheit gebracht. Die Bundeswehr flog nach eigenen Angaben seit Sonntag vergangener Woche rund 780 Menschen aus über 40 Nationen aus dem Sudan aus, darunter 230 Deutsche.

Perthes sieht Hoffnungsschimmer

Der Sonderbeauftragte der Vereinten Nationen, Volker Perthes, sieht trotz der erneut gebrochenen Waffenruhe Hoffnungsschimmer für ein Ende der Kämpfe im Sudan. Die beiden rivalisierenden Militärgruppen seien inzwischen offener für Verhandlungen, sagte der Gesandte der Nachrichtenagentur Reuters. Beide Seiten hätten Vertreter für die Gespräche benannt, für die Juba im benachbarten Südsudan und Dschidda in Saudi-Arabien als Verhandlungsorte vorgeschlagen worden seien. Eine praktische Frage sei zudem, ob die Abgesandten auch tatsächlich für ein Treffen dorthin gelangen könnten.

Sudan Khartoum | Abkommensunterzeichnung - UN Representant - Volker Perthes

Der UN-Sonderbeauftragte für den Sudan, Volker Perthes (Archivbild)

Dschidda sei als Ort für “militärisch-technische” Gespräche angeboten worden, während Juba als Teil eines regionalen Vorschlags ostafrikanischer Staaten für politische Gespräche genannt worden sei, sagte Perthes. Die unmittelbare Aufgabe bestehe aber darin, einen Überwachungsmechanismus für eine Waffenruhe zu entwickeln, da bereits mehrere Feuerpausen nicht gehalten hätten.

kle/wa (dpa, afp, rtr, epd)