Proteste im iranischen Sahedan niedergeschlagen

In Sahedan im Südosten Irans haben Sondereinheiten der Polizei laut Augenzeugen protestierende Menschen mit Gewalt zurückgedrängt. Entsprechende Videos kursieren in sozialen Netzwerken. “Die Spezialeinheiten der Polizei gingen in Sahedan gegen die Demonstranten vor und schossen in die Menge”, berichtete die in den USA ansässige Menschenrechtsagentur Human Rights Activist News Agency (HRANA) via Twitter. Sie fügte ein Video bei, auf dem Schüsse zu hören sind.

In einem anderen Video, das von der in Norwegens Hauptstadt Oslo ansässigen Gruppe Iran Human Rights (IHR) online gestellt wurde, war eine lange Schusssalve zu hören. Demonstranten gingen in Deckung.

Aktivisten berichteten, die Menschen seien nach dem Freitagsgebet auf die Straßen von Sahedan, der Hauptstadt der Provinz Sistan-Balutschistan an der Grenze zu Pakistan, gegangen. Man befürchte viele Todesopfer. Staatsmedien sprechen bisher von einem Toten und mehreren Verletzten. Die Provinz gilt als eine der ärmsten des Landes, die Bevölkerung gehört mehrheitlich dem sunnitischen Islam an.

Offizielle Stellen sprechen von “Randalierern” 

Die offizielle iranische Nachrichtenagentur IRNA machte “Randalierer” für die Ausschreitungen in Sahedan verantwortlich und erklärte, diese hätten Reifen in Brand gesetzt und Steine gegen Fahrzeuge geschleudert.

Die Proteste fanden vier Wochen nach schweren Unruhen dort statt, die durch die mutmaßliche Vergewaltigung eines Teenagers durch einen Polizeikommandanten in der Region ausgelöst worden sein sollen. Nach Angaben der Menschenrechtsorganisation IHR waren an jenem “blutigen Freitag” mindestens 93 Menschen getötet worden.

Zwei hochrangige Polizisten entlassen

Der Polizeichef von Sahedan wurde jetzt nach Kritik an seiner Amtsführung ebenso entlassen wie der Leiter einer Polizeistation. Ihnen wurde vorgeworfen, die schweren Ausschreitungen nicht verhindert zu haben.

Die Entlassungen lösten jedoch auch Spekulationen aus, dass die Polizeiführung das harte Vorgehen des Regimes in Teheran gegen Protestierende abgelehnt haben könnte. Auch ein einflussreicher sunnitischer Geistlicher in Sahedan, Maulawi Abdulhamid, kritisierte jüngst den Kurs der politischen Führung in dem mehrheitlich schiitischen Land.

In der Hauptstadt Teheran waren in der Nacht zu diesem Freitag wieder zahlreiche Menschen auf die Straße gegangen. Vielerorts solidarisierten sich Bewohner von Balkonen aus mit den Protestierenden, wie Augenzeugen berichteten. Sicherheitskräfte hätten deswegen auch auf Wohnungen gefeuert, hieß es. Viele Demonstranten forderten abermals ein Ende des repressiven Kurses der Staatsführung und des islamischen Herrschaftssystems.

Demonstranten in Berlin halten ein Bild von der toten Kurdin Jina Mahsa Amini hoch

Auch in vielen europäischen Städten gibt es immer wieder Solidaritätskundgebungen – hier in Berlin am 22. Oktober

Entzündet haben sich die seit Wochen unvermindert andauernden Proteste im Iran am Tod der jungen Kurdin Jina Mahsa Amini. Die 22-Jährige war am 16. September in Teheran in einem Krankenhaus für tot erklärt worden, nachdem die sogenannte Sittenpolizei sie einige Tage zuvor festgenommen hatte.

Insgesamt wurden nach Angaben der Vereinten Nationen (UN) bislang mindestens 250 Menschen getötet. Tausende Teilnehmer regierungskritischer Kundgebungen sollen festgenommen worden sein. Das UN-Menschrechtsbüro sorgt sich um die Inhaftierten. Es gebe Hinweise auf viele Misshandlungen, sagte die Sprecherin der UN-Behörde, Ravina Shamdasani, in Genf.

“Besonders besorgniserregend sind Informationen, nach denen die Behörden verletzte Demonstranten aus Krankenhäusern in Haftanstalten verlegen”, fügte sie hinzu. Shamdasani kritisierte zugleich, iranische Behörden übergäben die Leichen getöteter Demonstranten nicht deren Angehörigen. Die Familien der Demonstranten würden schikaniert.

se/jj (afp, rtr, dpa)