Schwedens schwieriger EU-Ratsvorsitz

Sonnenlicht gibt es in Kiruna im Januar nur wenige Stunden am Tag. Beim Spaziergang durch die Stadt, die etwa 200 Kilometer nördlich des Polarkreises in Lappland liegt, knirscht unter den Stiefeln der Schnee. Hier, in dieser Bergbaustadt, die für ihre Nordlichter und die lebendige Kultur der indigenen Sami-Gemeinschaft bekannt ist, hat die schwedische Regierung offiziell die Präsidentschaft der EU übernommen.

Der turnusmäßige Wechsel der Präsidentschaft der Europäischen Union soll die Entwicklung der EU-Gesetzgebung vorantreiben und die Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten sicherstellen. Und natürlich ist es auch eine hervorragende Gelegenheit, das eigene Land einer größeren Öffentlichkeit zu präsentieren.

Reibungslos und effizient, also “schwedisch”, möchten die Amtsträger diese Aufgabe bewältigen. “In unserer Führungsfunktion in den kommenden sechs Monaten werden wir uns darauf konzentrieren, Europa grüner, sicherer und freier zu machen”, verspricht Premierminister Ulf Kristersson. Angesichts des russischen Einmarsches in der Ukraine sieht der Premierminister seine wichtigste Aufgabe darin, die Einheit der Union zu bewahren. “Der Sieg der Ukraine ist entscheidend”, sagte er auf einer Pressekonferenz. Zu den weiteren Prioritäten zählen die Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit der EU, die Rechtsstaatlichkeit und der Wechsel zu grüner Energie.

Wie stehen die Erfolgschancen?

Die neue Minderheitsregierung Schwedens setzt sich aus Moderaten, Christdemokraten und Liberalen zusammen und kann nur mit Unterstützung der nationalistischen Schwedendemokraten regieren. Die in den 80ern von Rechtsextremen gegründete Partei hat “eine lange Geschichte der Ablehnung der Europäischen Union”, sagt Professor Tobias Hübinette von der Universität Karlstad. Bis vor kurzem sprach sich die Partei dafür aus, die EU zu verlassen.

Hübinette, der die Partei seit Jahren beobachtet, ist überzeugt, dass die Schwedendemokraten weiterhin extrem euroskeptisch sind und die EU-Präsidentschaft des Landes “in Geiselhaft” nehmen könnten. Migration zum Beispiel “kann während der Präsidentschaft Schwedens keine Priorität einnehmen, da die Schwedendemokraten einer gemeinsamen Migrationspolitik der Union niemals zustimmen würden”, führt Hübinette aus. Als weiteres Beispiel nennt er Maßnahmen zum Klimaschutz. Die Regierung in Stockholm verspricht, auf die Erfüllung der europäischen Klimaziele hinzuarbeiten. Der Auftakt der Ratspräsidentschaft in Kiruna, in Schwedens hohem Norden, soll genau das unterstreichen: Erst kürzlich wurde in der Region Kiruna das größte Vorkommen seltener Erden entdeckt. Diese Metalle sind laut dem Bergbaukonzern in Kiruna unverzichtbar für die Herstellung elektrisch betriebener Fahrzeuge und Windturbinen.

Gebäude des schwedischen Bergbauunternehmens LKAB

In Kiruna wurde Europas größtes Vorkommen seltener Erden entdeckt

Die Schwedendemokraten stellen die Wissenschaft jedoch in Frage, so Hübinette. Elsa Widding, die Sprecherin für Umweltfragen, bezeichnete den Kampf gegen den Klimawandel als “Symbolpolitik” und leugnete in einer Rede vor dem Parlament die Existenz der Klimakrise.

Euroskeptiker mit Einfluss

Bedenken hinsichtlich des Einflusses der Partei scheint Kristersson mit einem Schulterzucken abzutun. Die Zusammenarbeit mit den Schwedendemokraten laufe reibungslos und wie vereinbart. Auch Jessika Roswall, Ministerin für EU-Angelegenheiten, spielt Sorgen herunter. “Ich glaube, es wird alles gut funktionieren”, sagt sie zur DW. “Es ist wie in der EU, in der 27 Mitgliedsstaaten einen Kompromiss finden müssen. Komplizierter ist es nicht.”

Doch die Schwedendemokraten scheinen klare Vorstellungen von ihrer Rolle und dem Einfluss, den sie ausüben können, zu haben. “Wir werden eindeutig Einfluss haben”, bestätigt Charlie Weimers, Mitglied des Europäischen Parlaments.

Asylmigration – die rote Linie der Schwedendemokraten

Weimers erwähnt insbesondere die Migrationspolitik. “Wir wollen keine verbindlichen Mechanismen beim Thema Migration, sei es in Form von Umsiedlungen oder in Form wirtschaftlicher Beiträge durch EU-Länder”, betont er.  “Wir wollen derzeit keine weitere Asylmigration.” Für die Schwedendemokraten sei dies eine “rote Linie”, sagt er und lässt durchblicken, dass ein Überschreiten Konsequenzen für die Regierung in Stockholm hätte. 

In einem Bereich hat die Partei jedoch zugesagt, keine Probleme zu machen: Die fortdauernde Unterstützung “der ukrainischen Kriegsanstrengungen gegen den illegalen russischen Einmarsch” steht bei den Schwedendemokraten laut Weimers weit oben auf der Liste der Prioritäten. Jahrelang erweckten die Schwedendemokraten den Eindruck, eher auf russischer Seite zu stehen, doch nun scheinen sie die Position der Regierung zur Ukraine zu teilen. Für Premierminister Kristersson und seine Pläne für die schwedische Ratspräsidentschaft ein Grund, aufzuatmen.

Adaptiert aus dem Englischen von Phoenix Hanzo.