Türkei schränkt kritische Berichte über Erdbeben ein

Die türkische Medienaufsicht hat Strafen gegen drei Fernsehsender wegen ihrer kritischen Berichterstattung nach dem schweren Erdbeben vom 6. Februar verhängt. Der Oberste Rundfunk- und Fernsehrat (RTUK) belegte Halk TV, Tele 1 und Fox TV mit Geldstrafen und ordnete an, dass bestimmte Programme von Halk TV und Tele 1 fünf Tage lang nicht ausgestrahlt werden dürfen. Die Sanktionen machte Ilhan Tasci, von der Opposition entsandtes Mitglied der Behörde, über Twitter öffentlich.

Die drei Sender sind bekannt für ihre kritische Berichterstattung über den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan. Halk TV steht zudem der wichtigsten Oppositionspartei CHP nahe. Laut Tasci orientierte sich die Höhe der Geldstrafen am Umsatz der Sender im Januar.

“Völlige Schande”

Der Vorsitzende der Türkischen Journalistenvereinigung, Nazmi Bilgin, bezeichnete die Medienaufsicht als “Zensurbehörde”. Die Missachtung des Rechts der Bevölkerung auf Information sei eine “Straftat”. Der Chefredakteur von Tele 1, Merdan Yanardag, nannte die Sanktionen eine “völlige Schande”.

Präsident Recep Tayyip Erdogan spricht vor den Notzelten der türkischen Katastrophenschutzbehörde AFAD in Adiyaman

Strebt nach der Hoheit über die Erdbeben-Berichterstattung: Präsident Recep Tayyip Erdogan – hier in Adiyaman

Die Behörden haben auch den Zugang zu dem beliebten Online-Netzwerk Eksi Sozluk gesperrt, in dem auch Regierungskritiker ihre Meinung äußern. Die Betreiber der Website twitterten, sie versuchten den Grund für die Sperrung zu erfahren.

Nach einem gescheiterten Putsch im Jahr 2016 hatte Erdogan einen Großteil der türkischen Medien unter die Kontrolle der Regierung oder von Geschäftspartnern gebracht. In diesem Jahr strebt der Präsident seine Wiederwahl an. Das verheerende Erdbeben mit mehr als 42.000 Toten im Osten des Landes und der Umgang der Regierung damit ist in der Türkei zu einem wichtigen Wahlkampfthema geworden.

Im Oktober war in der Türkei ein Gesetz in Kraft getreten, mit dem die Verbreitung von “Falschnachrichten” mit bis zu drei Jahren Haft bestraft werden kann. Die Organisation Reporter ohne Grenzen stufte das Land im Jahr 2022 auf der Rangliste der Pressefreiheit auf Platz 149 von 180 ein.

rb/ww (AFP, AP)