Ukraine aktuell: Deutschland verlegt “Patriots” nach Polen

 

Das Wichtigste im Überblick:

  • Deutschland unterstützt Polen mit Patriot-Systemen
  • Selenskyj sieht Stromnetz weiter in Schwierigkeiten
  • WHO: Winter in Ukraine gefährdet Millionen Leben
  • IAEA: Reaktor-Status im AKW Saporischschja “stabil” 

 

Deutschland unterstützt Polen nach dem Raketeneinschlag im Grenzgebiet zur Ukraine mit Abwehrsystemen des Typs Patriot. “Polen ist unser Freund, Verbündeter und als Nachbar der Ukraine besonders exponiert”, erklärte Bundesverteidigungsministerin Christine Lambrecht in Berlin. “Zusammen mit meinem polnischen Kollegen Mariusz Blaszczak bin ich übereingekommen, Patriot-Flugabwehrsysteme nach Polen zu schicken und bei der Absicherung des polnischen Luftraums mit Eurofightern zu unterstützen.” Details würden nun von Fachleuten gemeinsam ausgearbeitet, teilte Lambrecht nach einem Telefonat mit Blaszczak mit.

Bundesverteidigungsministerin Christine Lambrecht

Hilft Polen: Bundesverteidigungsministerin Christine Lambrecht (SPD)

Der polnische Verteidigungsminister zeigte sich erfreut und schlug vor, das Abwehrsystem an der Grenze zur Ukraine zu stationieren. “Ich begrüße das Angebot der deutschen Verteidigungsministerin”, twitterte Blaszczak.

Das Patriot-System dient der Abwehr von Flugzeugen, ballistischen Raketen und Marschflugkörpern. Es basiert auf einem Zusammenspiel mehrerer Radargeräte, die Informationen über herannahende Flugkörper an Lenkflugkörper weitergeben. Diese sollen das Geschoss dann in der Luft zerstören.

Durch den Raketeneinschlag im polnischen Grenzdorf Przewodow waren vergangene Woche zwei Zivilisten getötet worden. Die NATO und Polen gehen davon aus, dass es eine fehlgeleitete ukrainische Flugabwehrrakete war, die zur Verteidigung gegen Angriffe des russischen Militärs eingesetzt werden sollte.

Selenskyj sieht Stromnetz weiter in Schwierigkeiten

Das durch russische Angriffe beschädigte Stromnetz der Ukraine ist nach Angaben von Präsident Wolodymyr Selenskyj weiter instabil. Sein Land habe am Montag nicht nur mit geplanten Abschaltungen, sondern auch mit ungeplanten Stromausfällen zu kämpfen gehabt, berichtete Selenskyj in seiner abendlichen Videoansprache. Der Verbrauch übersteige die Stromproduktion.

Der Staatschef rief regionale und kommunale Verwaltungen auf, die Bürger weiter zum Stromsparen anzuhalten. Auch im öffentlichen Raum müsse Strom gespart werden. “Der Systemschaden, der unserem Energiesektor durch die Anschläge der russischen Terroristen entsteht, ist so groß, dass alle unsere Bürger und Unternehmen sehr sparsam sein und den Verbrauch über die Stunden des Tages verteilen sollten”, sagte Selenskyj.

Ukraine I Angriff auf elektrische Insfrastruktur in Charkiw

Schwer beschädigt: Reparatur eines Stromkabels in der Ukraine (Archiv)

Nach Einschätzung des Stromversorgers Yasno müssen sich die Menschen in der Ukraine bis mindestens Ende März auf Stromausfälle einstellen. Die Techniker versuchten ihr Möglichstes, die Schäden am Netz zu reparieren, bevor es noch winterlicher werde, schrieb Yasno-Chef Serhij Kowalenko auf Facebook. Er riet der Bevölkerung, sich vorzubereiten: “Legen Sie einen Vorrat an warmer Kleidung und Decken an und überlegen Sie, wie Sie einen längeren Stromausfall überstehen können.”

WHO: Winter in Ukraine gefährdet Millionen Leben

Der bevorstehende Winter wird nach Ansicht der Weltgesundheitsorganisation für Millionen Menschen in der Ukraine “lebensbedrohlich”. In der kalten Jahreszeit gehe es in dem von Russland angegriffenen Land ums Überleben, betonte der WHO-Regionaldirektor für Europa, Hans Kluge.

Rund zehn Millionen Menschen seien infolge des Krieges ohne Stromversorgung. In bestimmten Gebieten der Ukraine könnte die Temperatur auf minus 20 Grad fallen. Die Menschen seien bei den eisigen Temperaturen anfällig für Atemwegserkrankungen, Herzinfarkte und Gehirnschläge, führte Kluge bei einem Besuch in Kiew weiter aus. Ohne Heizung seien Einwohner des osteuropäischen Landes zudem gezwungen, mit Kohle oder Holz Wärme zu erzeugen. Die Rauchentwicklung sei eine zusätzliche Belastung für die Gesundheit.

Ukraine Isjum | Zerstörtes Krankenhaus

Vollkommen zerstört: Blick aus einem Krankenhaus in Isjum

Zwei bis drei Millionen Menschen könnten laut Kluge gezwungen sein, auf der Suche nach Wärme und Sicherheit ihre Häuser und Wohnungen zu verlassen. Sie würden von Grippe, Lungenentzündungen, Diphterie und Masern bedroht. Hunderte Gesundheitseinrichtungen in der Ukraine seien nicht mehr einsatzfähig, ihnen fehle es an Energie, Medikamenten, Geräten und Personal, klagte der WHO-Regionaldirektor.

IAEA: Reaktor-Status im AKW Saporischschja “stabil” 

Trotz des intensiven Beschusses am Wochenende ist das ukrainische Atomkraftwerk Saporischschja nach Einschätzung der Internationalen Atomenergie-Behörde (IAEA) weitgehend intakt. Es gebe keine unmittelbaren Bedenken hinsichtlich der nuklearen Sicherheit, sagte IAEA-Generaldirektor Rafael Grossi nach dem Besuch eines Expertenteams vor Ort. Die vier IAEA-Experten hätten das größte europäische Atomkraftwerk ausführlich unter die Lupe genommen. Der Status der sechs Reaktoreinheiten sei stabil und die Unversehrtheit des abgebrannten Brennstoffs, des frischen Brennstoffs und des schwach-, mittel- und hochradioaktiven Abfalls in ihren jeweiligen Lagereinrichtungen sei bestätigt worden.

Dennoch hätten die IAEA-Experten verbreitete Schäden auf dem Gelände festgestellt, berichtete Grossi. “Dies ist ein großer Anlass zur Sorge, da es die schiere Intensität der Angriffe auf eines der größten Atomkraftwerke der Welt deutlich macht.”

Das AKW war am Samstag und Sonntag von Dutzenden Granateinschlägen erschüttert worden. Auch in den Monaten davor war die Anlage mehrfach unter Beschuss geraten, wofür sich die Ukraine und Russland gegenseitig die Schuld gaben.

Dutzende Granateinschläge am AKW Saporischschja

Frankreichs Präsident Emmanuel Macron brachte seine “tiefe Besorgnis” über die neuen Angriffe auf das AKW zum Ausdruck. Man müsse sich weiter bemühen, rund um die Anlage eine Sicherheitszone einzurichten, in der von Angriffen und Kämpfen abgesehen werde. Darin seien sich Macron und sein ukrainischer Kollege Wolodymyr Selenskyj einig gewesen, teilte der Élysée-Palast nach einem Telefonat der beiden Staatschefs mit.

Generalstab meldet schwere Kämpfe im Donbass

Im Industriegebiet Donbass im Osten der Ukraine liefern sich ukrainische und russische Truppen weiter heftige Gefechte. Russland konzentriere seine Angriffe auf die Städte Awdijiwka und Bachmut im Gebiet Donezk, berichtete der ukrainische Generalstab am Montagabend. An anderen Orten sprach er von einer “aktiven Verteidigung” der russischen Truppen – dort greifen also offenbar die Ukrainer an. Genannt wurden die Orte Kupjansk und Lyman sowie Nowopawliwka und die Front im Gebiet Saporischschja.

Ukraine-Krieg | Bakhmut | Region Donezk

Bild der Verwüstung: Brücke in der umkämpften Region Donezk

Im Süden der Ukraine sollen die russischen Truppen ihre Verteidigungslinien am südlichen Ufer des Stromes Dnipro verstärkt haben. Nach inoffiziellen Angaben nimmt die ukrainische Artillerie dieses Gebiet in Richtung Krim mit ihrer Artillerie unter Feuer.

wa/ust (dpa, afp, epd, rtr)

Dieser Artikel wird am Tag seines Erscheinens fortlaufend aktualisiert. Meldungen aus den Kampfgebieten lassen sich nicht unabhängig überprüfen.