Ukraine aktuell: Selenskyj klagt über beispiellosen Terror gegen Energiesektor

Das Wichtigste in Kürze:

  • Selenskyj klagt über beispiellosen Terror gegen Energiesektor
  • UN hoffen auf Verlängerung des Getreideabkommens
  • Ukraine bittet Deutschland um Hilfen gegen Kälte und Stromausfälle
  • Meloni will Ukraine bei militärischer Verteidigung unterstützen
  • Schlechtwetter bremst ukrainischen Vormarsch in der Region Cherson

“Russische Terroristen haben so schwierige Bedingungen für unsere Energiearbeiter geschaffen, dass niemand in Europa jemals zuvor so etwas gesehen oder erlebt hat”, sagte der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj in einer Videoansprache. Einmal mehr warnte er vor bevorstehenden Stromabschaltungen in der gesamten Ukraine und rief die Bevölkerung zum Energiesparen auf.

Zugleich rügte er die seinen Angaben nach ungenügende Umsetzung des Getreideabkommens mit Russland und der Türkei. Russland behindere weiterhin die Ausfuhr ukrainischer Lebensmittel über den Seeweg. 175 Schiffe stünden im Stau und warteten auf ihre Abfertigung, monierte der 44-Jährige. “Es ist offensichtlich, dass Russland beabsichtigt, die globale Nahrungsmittelkrise erneut zu verschärfen, um die Gefahr einer großen Hungersnot zurückzubringen”. Er forderte die internationale Gemeinschaft auf, den Druck auf Moskau zu erhöhen.

Ukraine: Putins Raketen greifen Energieversorger an

Selenskyjs Worte richten sich offenkundig auch an Regierungen in Afrika, um die Kiew nun verstärkt wirbt. “Es ist sehr wichtig, dass sie auf diesem Kontinent, auf dem der Einfluss des Kremls traditionell stark ist, die ukrainische Position hören und die Wahrheit erfahren, was wirklich passiert”, betonte er. Zuvor hatte Selenskyj mit dem Präsidenten von Guinea-Bissau, Umaro Sissoco Embaló, den ersten Staatschef aus Afrika seit dem Beginn des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine empfangen. Embaló erklärte, er habe ein Gesprächsangebot Wladimir Putins mitgebracht, den er tags zuvor im Kreml getroffen hatte. Moskau hat die Existenz eines solchen Angebots bisher nicht bestätigt.

UN hoffen auf Verlängerung des Getreideabkommens

Nach Gesprächen in Moskau und Washington haben sich die Vereinten Nationen zuversichtlich im Hinblick auf die angestrebte Verlängerung des Abkommens für den Export ukrainischen Getreides über das Schwarze Meer geäußert. “Wir sind sehr daran interessiert, dass dieses jetzt umgehend erneuert wird, denn der Export ist wichtig für den Markt”, sagte UN-Nothilfekoordinator Martin Griffiths in New York. “Ich bin immer noch relativ optimistisch, dass wir das schaffen werden.” Ohne eine Erneuerung würde das Abkommen am 18. November auslaufen.

BdTD | Türkei

Ukrainisches Getreide an Bord eines Frachters vor Istanbul

Zuvor hatte die russische Führung mehrfach damit gedroht, die wichtige Vereinbarung platzen zu lassen. Seit Ende Juli wurden in Rahmen der Vereinbarung etwa neun Millionen Tonnen Getreide aus dem Kriegsland verschifft. Griffiths betonte, er habe nach Treffen mit Regierungsvertretern in Moskau ein gutes Verständnis der Probleme mit dem Abkommen dort. Russland hat mehrfach beklagt, dass eine parallele Einigung zur verbesserten Ausfuhr von Getreide sowie vor allem Dünger aus Russland nicht funktioniere, weil der Export indirekt oftmals an EU-Sanktionen scheitere. Infolge des russischen Angriffskriegs war ukrainisches Getreide in den Häfen des Schwarzen Meeres monatelang blockiert. Seit Juli sind drei ukrainische Häfen wieder für die Ausfuhr von Lebensmitteln geöffnet.

Ukraine bittet Deutschland um Hilfen gegen Kälte und Stromausfälle

Angesichts des näher rückenden Winters hat die Ukraine die Deutschen gebeten, ihr humanitäre Hilfe zu gewähren. So sollen etwa Kabel, Stromgeneratoren und Heizgeräte helfen, Kälte und Stromausfällen zu begegnen. Zwei vom Energieministerium in Kiew erstellte Listen mit benötigten Waren seien an die Bundesregierung übermittelt worden, sagte die Co-Vorsitzende der deutsch-ukrainischen Parlamentariergruppe, Halyna Jantschenko, der Nachrichtenagentur Reuters. Auf den Wunschlisten stehen unter anderem Geräte für Umspannwerke, Nutzfahrzeuge, rund 350 Kilometer Kabel, knapp 2600 Stromgeneratoren sowie rund 3250 Heizgeräte.

“Deutschland kann humanitäre Hilfe leisten, indem es Güter zur Verfügung stellt”, sagte die ukrainische Parlamentarierin. Viele dieser Waren würden von deutschen Unternehmen wie Siemens Energy hergestellt. Jantschenko forderte das Unternehmen auf, mit der Lieferung der Waren seiner gesellschaftlichen Verantwortung nachzukommen. Indem die deutsche Regierung ein Teil der Kosten übernehme, könnte auch sie einen Beitrag leisten. Ein Sprecher von Siemens Energy nahm zu den Forderungen zunächst nicht Stellung.

Meloni will Ukraine bei militärischer Verteidigung unterstützen

Die neue italienische Ministerpräsidentin Giorgia Meloni hat sich hinter eine militärische Unterstützung der Ukraine im Krieg gegen Russland gestellt. Die einzige Möglichkeit, ein Friedensabkommen zwischen Russland und der Ukraine zu erreichen, bestehe darin, Kiew dabei zu helfen, sich militärisch zu verteidigen, sagte Meloni im Senat vor einer Vertrauensabstimmung über ihre neu ernannte rechtsgerichtete Regierung.

Meloni mit erster Regierungserklärung

Die Waffenlieferungen Italiens an die Ukraine seien zwar nicht entscheidend für den Ausgang des Krieges, sagte Meloni. Sie seien aber unerlässlich für die Aufrechterhaltung der internationalen Glaubwürdigkeit Italiens. Meloni hat Kiew wiederholt ihre Unterstützung zugesagt, während ihre Koalitionspartner Silvio Berlusconi und Matteo Salvini aufgrund ihrer historischen Beziehungen zum russischen Präsidenten Wladimir Putin in dieser Frage sehr viel zurückhaltender waren.

Schlechtwetter bremst ukrainischen Vormarsch in der Region Cherson

Widriges Wetter und schwieriges Gelände erschweren der Ukraine die Rückeroberung der Region Cherson. “Die Süd-Ukraine ist eine landwirtschaftliche Region mit vielen Bewässerungskanälen, die von den Russen als Gräben genutzt werden”, sagte der Verteidigungsminister Olexij Resnikow. Zudem bremsten schwere Regenfälle Kampffahrzeuge auf Rädern aus. “Die Gegenoffensive auf Cherson ist schwieriger als die auf Charkiw.”

Die Ukraine rückt seit Wochen gegen die strategisch wichtige Regionalhauptstadt Cherson vor. Russland droht nach dem Verlust eroberter ukrainischer Gebiete im Nordosten um die Stadt Charkiw ein erneuter Rückschlag.

Ukraine Krieg Hunde

Dieser Hund hat keine Scheu vor einem russischen Panzer in der ukrainischen Region Charkiw

Putin bekräftigt Behauptungen über “schmutzige Bombe”

Angesichts der ukrainischen Übergriffe auf die russischen Streitkräfte wiederholte Russlands Staatschef Wladimir Putin die Behauptung, die Ukraine plane den Einsatz einer “schmutzigen Bombe” – einem mit radioaktivem Material versetzten Sprengsatz. Er ordnete Manöver der Atomwaffen-Streitkräfte an. Belege für die angeblichen Pläne der Ukraine hat Russland bislang nicht vorgelegt.

Die Regierung in Kiew und mehrere westliche Staaten wiesen die Anschuldigung zurück. Sie bezeichneten sie als Vorwand für eine weitere Eskalation des Krieges und erklärten ihrerseits, Russland könnte unter falscher Identität den Einsatz einer solchen Bombe planen und dann die Ukraine als Urheber bezeichnen. Westliche Experten schließen nicht aus, dass Russland angesichts militärischer Rückschläge sogenannte taktische Atomwaffen mit begrenzter Wirkung in der Ukraine einsetzen könnte. US-Präsident Joe Biden hat die Regierung in Moskau gewarnt, dies wäre “ein unglaublich schwerer Fehler”.

Zehn weitere ukrainische Kriegsgefangene kehren zurück

Die Ukraine hat die Heimkehr weiterer zehn ihrer Soldaten aus russischer Kriegsgefangenschaft erreicht. Ein Offizier und neun Soldaten im Mannschaftsrang seien freigelassen worden, teilte der Chef des ukrainischen Präsidialamtes, Andrij Jermak, auf dem Messenger-Dienst Telegram mit. Zudem sei der Leichnam eines US-Bürgers übergeben worden, der aufseiten der Ukraine gekämpft habe und im Juli getötet worden sei.

Ukaine Kiew | Gefangenenaustausch | freigelassene Ukrainierinnen

Erst am 17. Oktober wurden diese ukrainischen Kriegsgefangenen ausgetauscht

Jermak machte keinen Angaben dazu, welche Gegenleistung die Ukraine erbracht hat. “Wir werden weitermachen, bis alle von uns wieder zu Hause sind”, schrieb er. Vergangene Woche waren 108 ukrainische Soldatinnen aus russischer Gefangenschaft freigelassen worden, 110 russische Soldaten kehrten in ihre Heimat zurück. Der Austausch von Gefangenen ist einer der wenigen Gesprächsfäden, die es zwischen Kiew und Moskau noch gibt.

Dieser Artikel wird am Tag seines Erscheinens fortlaufend aktualisiert. Meldungen aus den Kampfgebieten lassen sich nicht unabhängig überprüfen.

kle/cw (dpa, afp, rtr)