Ukraine aktuell: Selenskyj spricht von “Bankrott” des Kremls

 

Das Wichtigste in Kürze:

  • Selenskyj sieht Russland im Niedergang

  • USA wollen Drohnen-Lieferungen stoppen

  • Russischer Kommandeur spricht von angespannter Lage

  • Neue Festnahmen in Saporischschja

 

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat den Einsatz iranischer Drohnen durch Russland eine Bankrotterklärung genannt. “Der russische Hilferuf an den Iran ist die Anerkennung des militärischen und politischen Bankrotts durch den Kreml”, sagte er in seiner abendlichen Videoansprache am Dienstag.

Russland habe jahrzehntelang Milliarden Dollar in seinen militärisch-industriellen Komplex gesteckt, doch schließlich müsse es auf “ziemlich einfache Drohnen und Raketen” aus Teheran setzen. Der Beschuss der Ukraine mit ganzen Schwärmen dieser Drohnen mache den Russen vielleicht taktisch Hoffnung. “Strategisch wird es ihnen ohnehin nicht helfen”, sagte Selenskyj.

Lob für deutsches Iris-T-System

Der Präsident dankte allen Angehörigen der ukrainischen Luftverteidigung, die in den vergangenen Tagen Raketen und Drohnen aus Russland abgeschossen hätten. Er lobte dabei auch das von Deutschland gelieferte Luftabwehrsystem Iris-T: “Das ist wirklich ein sehr effektives System.”

Unternehmensbild Diehl Defence | Thema - Ukraine erhält Luftverteidigungssystem Iris-T aus Deutschland

Das von Deutschland gelieferte Luftverteidigungssystem Iris-T sei sehr effektiv, lobt Präsident Selenskyj

Die russische Armee hat in den vergangenen Tagen verstärkt Drohnen iranischer Bauart vom Typ Schahed-136 auf die Energieversorgung der Ukraine, aber auch auf Städte abgeschossen. Dabei bestreiten sowohl Moskau wie Teheran ein Rüstungsgeschäft mit den Drohnen. Laut humanitärem Völkerrecht sind Direktangriffe auf die Zivilbevölkerung oder auf zivile Objekte verboten.

Die iranischen Waffenlieferungen an Russland sollen Diplomaten zufolge an diesem Mittwoch Thema im UN-Sicherheitsrat werden. Die USA, Großbritannien und Frankreich wollten das Thema während einer Sitzung hinter verschlossenen Türen zur Sprache bringen, heißt es. Einzelheiten dazu wurden jedoch nicht genannt.

USA wollen Drohnen-Verkauf stoppen

Die US-Regierung erklärte unterdessen, sie wolle “praktische, aggressive” Schritte unternehmen, um dem Iran den Verkauf von Drohnen an Russland zu erschweren. Es seien bereits Sanktionen und Exportkontrollen eingeführt worden, sagte ein Sprecher des Außenministeriums. Die nach seiner Darstellung sich vertiefende Allianz zwischen den Regierungen in Moskau und Teheran sollte von der Welt als “schwerwiegende Bedrohung” eingestuft werden.

Ukraine: Schläge gegen die Stromversorgung

NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg erklärte, das Bündnis werde der Ukraine “in den kommenden Tagen” Systeme zur Drohnenabwehr liefern. Damit solle das Land bei der Verteidigung gegen Drohnen aus iranischer Produktion unterstützt werden, mit denen Russland kritische Infrastruktur in der Ukraine angreife.

Russischer Kommandeur nennt Lage “angespannt”

Der neue Kommandeur der russischen Streitkräfte in der Ukraine, Sergej Surowikin, bezeichnete die Lage dort als “angespannt”. Dies gelte insbesondere für die Region um die Stadt Cherson, sagt er dem Sender Rossija 24 zufolge. Das weitere Vorgehen dort hänge von der gegenwärtigen militärischen und taktischen Lage ab. Schwierige Entscheidungen könnten nicht ausgeschlossen werden. Surowikin sprach von “dem Gebiet des militärischen Sondereinsatzes”, die Bezeichnung der Regierung in Moskau für den Krieg in der Ukraine.

Moskau Befehlshaber der Luft- und Raumfahrtstreitkräfte Sergej Surowikin

Sergej Surowikin ist der neue russische Befehlshaber in der Ukraine

Der von Russland eingesetzte Verwaltungschef von Cherson, Wladimir Saldo, kündigte im Onlinedienst Telegram eine Evakuierung der Bewohner mehrerer Ortschaften der Region auf das linke Ufer des Flusses Dnipro an, um der russischen Armee die Möglichkeit zu geben, “umfangreiche Verteidigungsbauten” zu errichten. “Wo das Militär agiert, gibt es keinen Platz für Zivilisten”, erklärte Saldo. Die Region Cherson bleibe aber “unter dem Schutz der russischen Armee”, betonte er.

Die Stadt Cherson, die in der Nähe der von Moskau annektierten Halbinsel Krim liegt, war die erste größere ukrainische Stadt, die nach dem Beginn der Offensive am 24. Februar von russischen Streitkräften eingenommen wurde. Ende September annektierte Moskau das Gebiet im Süden der Ukraine. Seit einigen Wochen ist es Ziel einer Gegenoffensive der ukrainischen Armee, die immer weiter vorrücken konnte. 

Wieder Festnahmen im AKW Saporischschja

Unterdessen wurde bekannt, dass weiteres Personal des russisch besetzten ukrainischen Atomkraftwerks Saporischschja festgenommen worden ist. Das berichtet die Internationale Atomenergiebehörde (IAEA) in Wien. Ein stellvertretender Leiter des AKWs und zwei weitere Mitarbeiter – alle aus der Ukraine – seien vor kurzem festgenommen worden. Während der Manager wieder freigelassen worden sei, seien die anderen noch nicht in Freiheit, hieß es.

Ukraine I AKW Saporischschja

Das AKW Saporischschja ist von russischen Truppen besetzt. Erneut wurden ukrainische Mitarbeiter festgenommen

Zuvor war der Chef der Anlage vorübergehend von russischer Seite festgehalten worden. Er kam Anfang Oktober wieder frei. Mehrere IAEA-Experten sind ständig in dem AKW, um die Lage im größten europäischen Atomkraftwerk zu beobachten. Sie berichteten, dass die letzte verbliebene Hauptstromleitung für die Kühlung der Brennstäbe zum dritten Mal innerhalb von zehn Tagen unterbrochen war, am Montag aber wieder hergestellt werden konnte. 

haz/mak (rtr, dpa, afp)