Abkommen für die Weltmeere: Land in Sicht?

Weite Teile des Ozeans sind immer noch so etwas wie der Wilde Westen beim Thema Naturschutz: Fischerei, Schifffahrt, Tourismus und Meeresschutz werden weltweit von rund 20 Organisationen geregelt. Allerdings gelten diese Regeln nur bis etwa 200 Seemeilen Entfernung von den Küsten. Dahinter hat kein nationales Gesetz mehr Gültigkeit und einzelne Staaten haben keine Handhabe. 

Obwohl die Hochsee mehr als die Hälfte der Erdoberfläche und 61 Prozent aller Ozeane ausmacht, stehen gerade mal ein Prozent der internationalen Gewässer unter Schutz.

Illegale Fischerei, Überfischung oder Schäden an den Ökosystemen, zum Beispiel durch Tiefseebergbau oder Öl- und Gasbohrungen, können dort bisher kaum überwacht, verfolgt oder nach einheitlichen Regeln geahndet werden.

Tote Fische in einem Fischernetz

Überfischung auf Hoher See schwer rechtlich zu kontrollieren

Regierungsvertreter aus 51 Ländern wollen in diesen Tagen in New York das seit Jahren geplante High Seas Treaty aushandeln, das Hochseeabkommen für mehr Artenschutz und die nachhaltige Nutzung und Verteilung seiner Ressourcen. 

Warum ist eine gesunde Meereswelt für den Menschen und den Planeten überlebenswichtig?

Das Meer ernährt Milliarden und nützt Wirtschaft und Gesundheit

Die Ressourcen des Ozeans versorgen nicht nur Küstenbewohner, sondern fast 3 Milliarden Menschen weltweit. In Zahlen ausgedrückt hat die gesamte Meeresindustrie einen Wert von drei Billionen Dollar (2,8 Billionen Euro), das entspricht fünf Prozent des weltweiten Bruttoinlandsprodukts.

Das Meer ist also nicht nur für Strandtouristen oder Fischer von großer Bedeutung. Wir brauchen es zur Erzeugung nachhaltiger Wellen- und Gezeitenenergie ebenso wie zur Gewinnung von Rohstoffen und sogar zur Herstellung von Medikamenten.

So kommen beispielsweise einige Wirkstoffe gegen Leukämie von einem Flachwasser-Schwamm namens Tethya crypta, der in Gewässern der Karibik vorkommt. Und das Gift der fischfressenden Meeresschnecke Conus Magnus wird zu Entwicklung eines effektiven Schmerzmittels verwendet. Noch ist der Ozean eine Landkarte mit vielen weißen Flecken für die Medizin, doch Wissenschaftler sehen dort ein gigantisches Potenzial für die Behandlung von Krankheiten.

Warum der Klimawandel die Meere stresst

Mehr als die Hälfte des gesamten Sauerstoffs in unserer Atmosphäre wird von Lebewesen im Ozean hergestellt. Gleichzeitig speichert das Meer 50-Mal mehr klimaschädliches CO2 als sich derzeit in der Atmosphäre befindet. Je wärmer der Ozean wird, umso weniger Kohlenstoffdioxid kann das Wasser speichern. Das heißt: Je wärmer es wird, desto weniger kann das Meer den Planeten vor noch extremerem Wetter schützen.

Steigen die Temperaturen weiter im derzeitigen Tempo an, gehen Wissenschaftler davon aus, dass viele Schalentiere wie Muscheln oder Schnecken nicht überleben werden. Das hängt mit der Versauerung des Wassers zusammen: steigt der Kohlendioxydgehalt im Meereswasser, ändert sich der pH-Wert im Wasser. Der steigende Säuregehalt erschwert die Bildung der kalkhaltigen Schalen der Tiere. Dadurch würden ganze Biotope ins Ungleichgewicht kippen, und komplette Wirtschaftszweige wie beispielsweise die Zucht von Austern und Miesmuscheln könnten dadurch ebenfalls zum Erliegen kommen.

Mit den steigenden Temperaturen in der Atmosphäre durch das Verbrennen von Kohle, Öl und Gas verändern sich auch die Meeresströmungen und das Wasser wird wärmer. Das kann schon heute für viele Lebewesen, beispielsweise Korallen, tödlich sein. Korallen leben in Symbiose mit farbigen Algen, die Korallen bei der Ernährung helfen. Die Erwärmung des Wassers kann dazu führen, dass die Algen absterben, in der Folge ist die Koralle deutlich höherem Stress ausgesetzt und sie verliert ihre Farbe (Korallenbleiche).

Aufnahme von gebleichten Korallenbänken, dazwischen türkisblaues Wasser

Große Teile des berühmten Great Barrier Reefs vor Australien sind heute schon ausgebleicht, weil die Wassertemperatur zu hoch ist

Wie wir Ökosysteme im Meer sofort schützen können

Die UNESCO schätzt, dass bis zum Ende des Jahrhunderts etwa die Hälfte aller Meereslebewesen vom Aussterben bedroht sein könnten, wenn sich nichts Grundlegendes ändert. Das heißt nicht zwangsläufig, den Ozean nicht mehr zu nutzen, sondern ihn so zu nutzen, dass er bestenfalls keinen Schaden nimmt – oder nur so viel, dass er sich zumindest von selbst erholen kann.

Jährlich werden zum Beispiel 10 Millionen Tonnen Fisch – das entspricht dem Volumen von über 4500 Schwimmbecken – wegen schlechter Fangpraktiken und Verarbeitungsmethoden weggeworfen: Das ist vermeidbar und könnte den Druck auf die Meere direkt verringern.

Die Toiletten auf der Rückseite Slum-Hütten, die in Jakarta auf Stelzen an einem Kanal stehen.

Kläranlagen und bessere hygienische Bedinungen in vielen Entwicklungländern kämen auch dem Meer zu Gute

Ein anderes Beispiel: Abwasser. Heute werden immer noch rund 80 Prozent der weltweiten Abwässer ungefiltert ins Meer geleitet, in den ärmsten Ländern der Welt sind es sogar bis zu 95 Prozent. Diese Abwässer verschmutzen, verseuchen und zerstören Gewässer und Küstenregionen. Werden nachhaltige Abwasser-Systeme aufgebaut, besonders in Entwicklungsländern, schont das nicht nur das Ökosystem Meer, sondern trägt vielerorts außerdem zu einer besseren Trinkwasserversorgung bei.

Was bringt ein neues Abkommen für die Meere, hilft das überhaupt?

Laut Umweltprogramm der Vereinten Nationen (UNEP) gehören internationale Abkommen zu den besten Möglichkeiten, die Zerstörung der Ozeane zu stoppen.

Für den Schutz von küstennahen Gebieten wurden in den vergangenen Jahren eine Reihe internationale Vereinbarungen getroffen. Einige Ansätze zeigen bereits Wirkung, viele andere hinken den eigenen Zielen allerdings noch hinterher. Denn die Umsetzung von internationalen Vereinbarungen hängt immer auch davon ab, ob nationale Parlamente in den Staaten sie auch in Gesetze gießen und geeignete Institutionen und Projekte mit genügend Ressourcen ausstatten, um die Vorhaben umzusetzen.

Bei den derzeitigen Verhandlungen drängt die EU zusammen mit einigen westlichen Staaten auf ein ambitioniertes Abkommen für Artenschutz und der Umsetzung der Ziele des bahnbrechenden Montreal-Kunming-Biodiversitäts-Übereinkommens von 2022. Dazu gehört unter anderem das Ziel, 30 Prozent des gesamten Planeten bis 2030 unter Schutz zu stellen. 18 Entwicklungs- und Schwellenländer wollen zudem einen Mechanismus einführen, der die gerechte Verteilung der Meeresressourcen garantiert.

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