F-16 oder MiG-29: Was können Kampfjets?

In der Kurve presst es dich mit dem Vielfachen der Erdanziehung in den Sitz. Nur höchste körperliche Fitness und eine spezielle Hose, die dir das Blut aus den Beinen drückt, halten dich bei Bewusstsein. Du fliegst selten unter 900 km/h. 

“Die Beschleunigung ist atemberaubend.” So beschreibt der ehemalige Pilot der deutschen Luftwaffe, Joachim Vergin, das Gefühl, einen Kampfjet zu fliegen. 

Man könne es vielleicht mit Achterbahnfahren vergleichen, aber doch nicht wirklich: Die Kräfte in einem Jet sind oft doppelt so stark. Dazu muss man im Gefecht noch eine Vielzahl an Waffensystemen bedienen. Kämpfen, ausweichen, verteidigen. Im Ernstfall geht es um Leben und Tod, oft bei Schallgeschwindigkeit.

Triebwerk unter Hochdruck

Aktuell wird debattiert, ob der Forderung der Ukraine nach Kampfjets wie der F-16 oder der MiG-29 nachgegeben werden soll. Das erste Mal wurden Kampfjets Ende des letzten großen Krieges in Europa eingesetzt: dem Zweiten Weltkrieg. Mit ihrem Strahltriebwerk fliegen Jets viel schneller als Propellerflugzeuge, die bis dahin genutzt wurden.

Ein Strahltriebwerk funktioniert so: Vorne wird Luft in das Triebwerk eingesaugt und zusammengedrückt. Dann wird Kraftstoff in die nun hoch verdichtete Luft eingesprüht und entzündet. Dadurch drückt sich die Luft “extrem stark” aus dem Triebwerk heraus, wie Dr. Robert Kluge, Luftfahrtexperte vom Deutschen Museum erklärt. 

Diese Luft drückt dann gegen Widerstand, sei es die Startbahn oder die Umgebungsluft und beschleunigt so das Flugzeug.

Jet-Angriff aus der Luft

Kampfjets können sowohl Ziele in der Luft als auch am Boden angreifen. Für den Luftkampf kann ein Jet mit Luft-Luft-Raketen ausgerüstet werden, die während des Flugs abgefeuert ein ebenfalls fliegendes Ziel zerstören können.

Für den Angriff von Zielen am Boden kann ein Jet Luft-Boden Raketen nutzen oder einfache Freifallbomben abwerfen, die quasi “nach den Gesetzen der Physik” auf den Boden fallen, so Leonhard Houben, Historiker und freier Mitarbeiter am Militärhistorisches Museum Berlin-Gatow.

Ukraine | Training Luftwaffe | Kampfjet Mig-29

Ukraine MiG im Training. Das Soviet-Jet wurde über 1600 Mal gebaut.

Technik der Kompromisse

Beim Bau von Kampfjets muss abgewogen werden: Soll ein Jet eher andere Flugzeuge in der Luft bekämpfen? Und sind diese Flugzeuge andere Kampfjets, die sich wehren können? Oder soll der Jet nur effektiv Bodenziele bekämpfen können?

Solche strategischen Überlegungen spiegeln sich auch in der Technik eines Kampfjets wider: Soll das Flugzeug für den Luftkampf eher leicht und wendig gebaut oder mit großen Treibstofftanks für eine hohe Reichweite ausgestattet werden?

Die MiG-29, über die jetzt diskutiert wird, sie in die Ukraine zu liefern, wurde für einen ganz bestimmten Zweck in die Luft geschickt: Die Grenzen der Länder des Warschauer Pakts gegen NATO-Flugzeuge zu schützen.

So kann dieser 1983 in den Dienst gestellte sogenannte Abfangjäger sehr schnell abheben und an sein Ziel kommen. Aufgrund ihrer Bauweise ist die MiG-29 im Luftkampf extrem wendig: Sie kann sogar kurzzeitig auf ihrem eigenen Strahl vertikal in der Luft stehen. Allerdings war der Jet anfangs nur mit Treibstoff für eine geringe Reichweite ausgestattet, um Gewicht zu sparen.

F-16: Multitalent vom Fließband

Die meisten moderne Kampfjets kombinieren aber eine Vielzahl an Fähigkeiten. Laut Houben ist es ökonomischer, sogenannte Mehrzweckkampfflugzeuge zu bauen, weil sie in nur einer Produktionsreihe in großer Stückzahl gefertigt werden können.

Die F-16 ist ein solches massengefertigtes Multitalent. Sie wurde explizit in den 1970er Jahren in den USA für den Verkauf an Partnernationen als kostengünstiger Allzweck-Jet entwickelt. Die F-16 ist der Kampfjet mit der größten weltweiten Stückzahl, der immer noch im Dienst ist. Der Jet wird nach wie vor in den USA produziert und stetig verbessert.

Houben sagt, dass wohl “F-16, die vor 20 Jahren gebaut wurden, russischen Jets ebenbürtig sind, die vielleicht vor drei bis fünf Jahre gebaut wurden”.Das liege unter anderem daran, dass in Russland in den 1990er Jahren die Entwicklung von Kampfjet-Technik verschleppt wurde und so viel Talente abgewandert sind.  

Mehr Waffensystem als Waffe

Neben der Technik eines Jets ist seine Bewaffnung entscheidend. Ohne diese sei ein Jet “nur eine Hülle, wie ein Feuerwehrauto ohne Drehleiter”, so Robert Kluge vom Deutschen Museum. Er hält es wie andere Experten für sicher, dass – falls Jets an die Ukraine geliefert werden – diese auch zusammen mit modernen Waffen kommen.

Die Ukraine könnte diese Jets dann nutzen, um ihren eigenen Luftraum zu sichern. Denn anders als Luftabwehrraketen, wie sie von bodengestützten Flugabwehrsystemen abgefeuert werden, sind Jets hochmobil und können so eine große Fläche sichern und mit modernen Luft-Luft-Raketen auch Marschflugkörper in der Luft abschießen.

Patriot-System auf Asphalt

Anders als Luftabwehrsysteme, wie Patriot, sind Kampfjets hoch mobil, und können einen großen Luftraum sichern.

Dass es zu Luftkämpfen wie in Hollywoodfilmen zwischen russischen und ukrainischen Jets kommt, ist laut Leonhard Houben aber unwahrscheinlich. Kampfjets würden sich heutzutage meist mit Raketen außerhalb ihrer Sichtweite bekämpfen.

Ähnlich wie bei Kampfpanzern gilt häufig: Wer zuerst feuert und trifft, gewinnt. Moderne Luft-Luft Raketen, einmal abgeschossen, schleichen sich quasi an ihr Ziel heran und aktivieren erst kurz vor dem Einschlag ihr auffälliges Radar. Dann ist es oft zu spät, um auszuweichen. Mit wilden Manövern, Maschinengewehrfeuer und Hollywood hat das meist wenig zu tun.

Piloten-Ausbildung dauert Jahre

Trotzdem muss ein Kampfjetpilot auch Nahkampf können, falls doch einmal alle Raketen verschossen sind. Da gilt es, Multitasking unter extremen Bedingungen zu beherrschen. Aus diesem Grund sind Piloten auch nicht von heute auf morgen ausgebildet: für den deutschen Eurofighter dauert die Lehrzeit fünf bis sechs Jahre und kostet fünf Millionen Euro – pro Pilot. 

Bei seinem ersten eigenen Flug mit einem Jet sei ein Triebwerk ausgefallen, erzählt der ehemalige Pilot Joachim Vergin. Obwohl er Angst hatte, wusste er aufgrund von “Drill und Übung” genau was zu tun ist, blieb ruhig und landete das Flugzeug sicher.

Jedoch lernt jeder Pilot oft nur einen Typ Kampfjet zu fliegen – auf einen anderen Jet umzuschulen ist aufwendig. Als Vergin vom Kampfjet Phantom auf den Tornado umstieg, dauerte die Schulung sieben Monate.

Hier sehen auch alle befragten Experten eine große Herausforderung für ukrainische Piloten. Alle Handbücher, alle Knöpfe in NATO-Jets sind englisch beschriftet. Nicht leicht, wenn man nur kyrillische Schrift lesen kann. Außerdem sind alle Angaben in Fuß und Meilen. Piloten in Ländern der ehemaligen Sowjetunion lernen mit metrischen Angaben das Fliegen.

Kampfjet-Debatte: Gespräch mit Gustav Gressel

Jet als Mythos

Kampfjets sind im Krieg allerdings mehr als die Summe ihrer technischen Fähigkeiten.

So umschreibt Robert Kluge das Flugzeug als “Mythos”, weil es sich anders als Menschen auch in der dritten Dimension bewegen kann.

Ein Kampfjet kann auch als Symbol gesehen werden, das die Moral der eigenen Truppe stärken kann. Und als wichtige Schachfigur in der Strategie eines Krieges: Allein sie zu besitzen, kann genügen, um Feinde zum Umdenken zu bewegen.