Großwärmepumpen statt Erdgas im Fernwärmenetz

Schwedens Hauptstadt Stockholm ist Vorreiter beim Heizen ohne Kohle, Öl und Gas. 98 Prozent der Wärme im Fernwärmenetz kommt dort inzwischen aus erneuerbarer oder recycelter Energie. Zentral sind dabei Großwärmepumpen. Sie nutzen Abwärme aus heißen Abgasen von Industrieanlagen, aus dem Abwasser, Rechenzentren, bald aus einem Umspannwerk und Umweltwärme aus der Ostsee. Die so gewonnene Wärme wird in das stark ausgebaute Fernwärmenetz gepumpt und versorgt die meisten Gebäude der Metropole mit Wärme.

Fernwärme mit dezentralen Großwärmepumpen

In der EU gibt es derzeit über 6000 Fernwärmenetze, die laut EU-Kommission etwa 11 Prozent des Wärmebedarfs decken.

Gespeist werden diese Wärmenetze bislang vor allem aus großen Kraftwerken, die Erdgas, Öl und Kohle verbrennen, einige nutzen auch die Abwärme von Atomkraftwerken und Tiefengeothermie. Doch in den letzten Jahren wurden zunehmend auch Müllverbrennungsanlagen, Bioenergiekraftwerke, große Solarthermieanlagen und Großwärmepumpen integriert.

Experten sehen vor allem in Großwärmepumpen das größte Potential Städte günstig und klimafreundlich mit Wärmeenergie zu versorgen. “Wir werden die Fernwärmenetze nicht auf einen Schlag umstellen, sondern müssen Schritt für Schritt die Wärmenetze dekarbonisieren”, sagt Nikolaus Meyer, Experte für Wärmenetze beim Energiekonzern E.ON.

Infografik Wärmenetz mit Großwärmepumpen aus Abwasser, Flusswärme, Oberflächenwärme, Wärmesonden, Gewerbliche Abwärme und Geothermie

Fünf verschiedene Wärmequellen in einem Netz

In den Netzen wird zukünftig laut Meyer Wärme dezentral an vielen Stellen mit großen Wärmepumpen aufgenommen (siehe Grafik). Dabei kommt die Wärme aus dem Erdboden, aus Gewässern, der Luft, dem Abwasser, U-Bahn-Tunneln, Rechenzentren und Industrien. Ein zusätzlicher Teil des klimaneutralen Wärmebedarfs könnte laut Experten künftig zudem mit Tiefengeothermie, Bioenergie, Solarthermie, überschüssigem Ökostrom und synthetisch erzeugtem grünen Wasserstoff gedeckt werden.

Grundsätzlich ist die Integration von Wärmepumpen auch in bestehende Wärmenetze technisch kein Problem. Wärmenetze werden bislang meist mit einer Wassertemperatur von 80 bis 130 Grad betrieben und Großwärmepumpen erreichen auch Temperaturen von über 130 Grad.

Wärmepumpen arbeiten jedoch effizienter, wenn diese nur niedrigere Temperaturen erzeugen müssen. Mit einer Kilowattstunde Strom erzeugen Anlagen dann rund fünf Kilowatt Wärme bei Heißwasser auf 70 Grad. “Unsere Zielvorstellung ist Richtung 70 Grad im Netz, um die Potenziale der Effizienz bei Wärmepumpen auch ausschöpfen zu können”, so Meyer gegenüber DW.

Eine Großwärmepumpen von MAN wird in Zürich getestet. Installiert wird sie in Esbjerg (Dänemark).

Diese 50 MW-Großwärmepumpe ersetzt ab 2023 ein Kohlekraftwerk in Esbjerg (Dänemark) und versorgt die Stadt mit Wärme aus der Nordsee. Der Strom dafür kommt aus einem Offshore Windpark.

Teures Erdgas und Regierungswechsel treiben Umbau der Wärmenetze voran

Schweden und Dänemark haben Vorbildfunktion, wenn es um nachhaltige Energie- und Wärmegewinnung geht. Den Ausstieg von Kohle, Öl und Gas treiben die beiden Länder auch in der Wärmeversorgung seit vielen Jahren voran, bauen die Fernwärmenetze konsequent aus und stärken den Umstieg auf klimafreundliche Wärme mit erneuerbaren Energien und Großwärmepumpen. Den Anteil der erneuerbaren Wärme in den Netzen konnte so auf über 60 Prozent im Durchschnitt der beiden Länder gesteigert werden. 

Stockholm geht noch einen Schritt weiter: 2025 soll die Wärmeversorgung der schwedischen Hauptstadt komplett ohne fossile Energien auskommen und zudem sogar positiv fürs Klima sein. Aus den Abgasen des Biokraftstoffheizwerks soll dann das CO2 abgetrennt werden und anschließend tief unter der Erde verpresst (BCCS). Da die Pflanzen für den Biokraftsoff beim Wachstum CO2 aus der Luft zuvor aufgenommen haben, werden durch diese Technik CO2 aus der Atmosphäre entzogen und die Emissionen negativ.

 

Ansicht einer Wärmepumpe

Großwärmepumpe in Wien für 25.000 Haushalte: Sie nutzt die Abwärme von einem Kraftwerk und produziert damit bis zu 95 Grad heißes Wasser für die Fernwärme.

Deutschland hängt im Vergleich zu den skandinavischen Nachbarn weit abgeschlagen zurück: Der Anteil von erneuerbaren Energien in der Fernwärme liegt bei nur 15 Prozent, der Anteil von Erdgas (2018) bei 41 Prozent und von Kohle bei 30 Prozent. Die Gründe für den hohen Anteil fossiler Energien in den Fernwärmenetzen lag vor allem an der Förderpolitik der alten Bundesregierung. Pipelinegas vor allem aus Russland war sehr günstig. Zudem wurde der Einsatz von Gas und Kohle in Kombikraftwerken zur Strom- und Wärmeerzeugung (KWK) über Jahre stark subventioniert. Die Installation von Großwärmepumpen unter Einbeziehung der Erneuerbaren war somit weder für die Wärmenetzbetreiber attraktiv noch politisch gewollt.

Doch nun haben sich die politischen und ökonomischen Rahmenbedingungen grundlegend geändert. Seit dem russischen Angriff auf die Ukraine haben sich die Preise für Erdgas im Vergleich zu den Vorjahren vervierfacht, das Heizen mit Erdgas ist nun deutlich teurer als mit Großwärmepumpen, Geothermie, Solarthermie und Biomasse.

Die neue Bundesregierung will nun die Erneuerbare Wärmeerzeugung und Großwärmepumpen in Wärmenetzen und den Ausbau der Netze in den nächsten vier Jahren mit 3,8 Milliarden Euro fördern.

“Grüne Fernwärmenetze sind ein Schlüssel für eine klimaneutrale Wärmeversorgung und entscheidend, um unsere Abhängigkeit von fossilen Energieimporten zu reduzieren”, sagt Bundeswirtschafts- und Klimaminister Robert Habeck Anfang August, nachdem die geplanten Förderprogramme von der EU-Kommission genehmigt wurden. “Vor allem in Städten und dicht besiedelten Gegenden ist der Anschluss an die zunehmend klimaneutrale Fernwärme die beste Lösung, um von Öl- und Gasheizungen wegzukommen. Viele Kommunen stehen in den Startlöchern, um die Wärmeversorgung umzustellen”, so Habeck.

Für den Umbau der Wärmeversorgung hat die Bundesregierung in diesem Sommer zahlreiche Gesetzesänderungen auf den Weg gebracht und fördert nun den Aufbau von grünen Fernwärmenetzen. 

 

Photovoltaik und Wärmepumpen sind gefragt wie nie