Mit Öko-Design die Welt retten?

Wie wäre es, wenn die Landwirtschaft auf derselben Fläche nicht nur Gemüse und Obst, sondern gleichzeitig auch Strom produzierte? Diese Idee steht hinter der Gewächshausfolie “2harvest” (Artikelbild). Sie ist mit Solarzellen bestückt, mit der sie etwa die Energie für die Beheizung der Gewächshäuser selbst produzieren kann.

Und auch wer kein eigenes Solardach hat, kann umweltfreundlich waschen: Die App PeakPick zeigt an, zu welcher Tageszeit die meiste regenerative Energie erzeugt wird – startet man die Waschmaschine dann, läuft sie mit viel Öko-Strom.

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Die neue App und die innovative Gewächshausfolie sind nur zwei der Design-Projekte, die in diesem Jahr für den Bundespreis Ecodesign nominiert sind, die höchste deutsche Auszeichnung für ökologisches Design.

Wie Design den Konsum antreibt

Schon immer galt: Gutes Design ist nützlich, praktisch und sieht auch noch gut aus – egal ob es sich um einen ergonomischen Stuhl handelt, eine einfach zu bedienende Küchenmaschine oder um Outdoor-Mode. Je durchdachter das Design, desto beliebter wird ein Produkt – und die Nachfrage steigt.

Und schon immer habe gutes Design den Konsum angekurbelt, sagt Jochen Eisenbrand, Chef-Kurator des Vitra Design Museums im deutschen Weil am Rhein. “Designerinnen und Designer wollen gerne etwas Neues zu schaffen. Das Neue ist der stärkste Anreiz, etwas zu kaufen. Und etwas Neues sorgt immer dafür, dass das, was schon da ist, als veraltet wahrgenommen wird.”  

Doch unser Konsum ist ein enormes Problem: Allein in Deutschland ist privater Konsum für rund  34 Prozent der CO2-Emissionen pro Kopf  verantwortlich. Schon längst verbrauchen wir mehr Ressourcen als unser Planet überhaupt hergibt und produzieren enorme Mengen an umweltschädlichem Müll. Gleichzeitig werden viele Rohstoffe immer knapper.

“Es gibt einen Trend zum Öko-Design”

Angesichts von Problemen wie dem wachsenden Plastikmüllberg gebe es nun in der Designbranche einen Bewusstseinswandel, berichtet Jochen Eisenbrand, vor allem in der jungen Generation. “Die fragt sich etwa: Was können wir nehmen, um in der Plastikindustrie von den fossilen Rohstoffen wegzukommen? Und welche nachwachsenden und biologisch abbaubaren Rohstoffe können wir nutzen, die nicht wieder Probleme mit sich bringen?” 

Infografik Plastik Produktion seit 1950 DE

Durch die neuen nachhaltigen Materialien würde auch das interdisziplinäre Arbeiten im Bereich des Öko-Designs immer wichtiger, bestätigt Katrin Müller-Russo. “Wir sind schon halbe Biologen”, erzählt die Professorin, die an der Köln International School of Design (KiSD) das Fach Ökologie und Design lehrt. 

Ihre Studierenden erfanden zum Beispiel ein Färbeverfahren für Stoffe, das mit Bakterien funktioniert. Das ist deutlich umweltfreundlicher als die konventionelle Textilfärbung und Veredlung, die derzeit für rund 20 Prozent der weltweiten Wasserverschmutzung verantwortlich ist. 

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Andere Studierende entwickelten schalldämpfendes Material aus Pilzgeflecht, das schnell nachwächst und komplett biologisch abbaubar ist.

Mit Ecodesign zu weniger Produkten

Beim nachhaltigen Design, auch Ecodesign genannt, gehe es neben Herkunft und Recyclingfähigkeit der Materialien vor allem um die Langlebigkeit – “also, dass man ein Produkt leicht reparieren kann und es möglichst lange nutzt”, sagt Ingrid Krauß, wissenschaftliche Leiterin des Internationalen Design Zentrums Berlin (IDZ). “Und wenn man ein Produkt konzipiert, sollte man sich immer fragen: Braucht es überhaupt ein Produkt oder ist vielleicht ein Servicekonzept besser?”

Ein Beispiel für solch ein Servicekonzept sind etwa Mehrwegverpackungen für den Versandhandel: Statt in Einwegtaschen können Online-Shops ihre Ware in einer Mehrwegversandtasche losschicken. Die Kunden können diese nach dem Auspacken kostenlos zurücksenden, die Verpackung wird dann gereinigt und bis zu 20 Mal wiederverwendet. 

Eine gelber Umschlag wird auf Briefgröße zusammengefaltet in einen Briefkasten geworfen

Gewannen den Bundespreis Ecodesign 2021: Mehrwegverpackungen für den Onlinehandel

Dabei fallen laut Angaben der Vertreiber im Vergleich zu herkömmlichen Versandverpackungen rund 80 Prozent weniger CO2 und mehr als 96 Prozent weniger Verpackungsmüll an. Wenn viele Onlinehändler solche Konzepte nutzten, würde viel Material und damit Müll gespart. Denn der globalen Versandhandel wächst rasant: So steigerten laut der UN-Konferenz für Handel und Entwicklung (UNCTAD) die 13 größten Online-Handelsplattformen der Welt ihren Umsatz im Jahr 2020 um mehr als 20 Prozent. 

“Nachhaltiges Design fragt immer: Um welches Bedürfnis geht es, und wie können wir das am nachhaltigsten erfüllen?”, fasst Ursula Tischner zusammen. Für die Professorin für Sustainable Design und Autorin des Buches “Was ist Ecodesign?” hat nachhaltiges Design noch einen weiteren Aspekt: Statt kurzfristiger Profite für nur wenige soll es möglichst vielen Menschen einen dauerhaften wirtschaftlichen Nutzen bringen. 

Ist nachhaltiges Design wirklich teurer? 

“In der Praxis muss man aber auch Hersteller finden, die diese Ziele mittragen”, gibt Jochen Eisenbrand vom Vitra Design Museum zu bedenken. Denn für Mensch und Natur seien nachhaltige Lösungen zwar besser, für Unternehmen aber zunächst oft teurer. “Wenn beispielsweise ganz neue Verfahren zur Gewinnung und Verarbeitung von umweltfreundlichen Materialien entwickelt werden müssen, dann kostet das erstmal.”

Man müsse aber bedenken, dass bei nicht nachhaltigen Produkte viele Kosten bisher gar nicht von den Unternehmen selbst, sondern von der Allgemeinheit gezahlt würden, so Eisenbrand, “etwa wenn Produkte am Ende auf dem Müll entsorgt oder aus Flüssen und Meeren rausgefischt werden müssen.”

Da diese zusätzlichen Kosten nicht eingerechnet werden, können konventionelle Produkte bisher meist günstiger produziert und verkauft werden – ein klarer Wettbewerbsvorteil.

Die EU will Ecodesign und Kreislaufwirtschaft stärken

Die Europäische Union will die Bedingungen für nachhaltiges Design und nachhaltiges Wirtschaften nun deutlich verbessern – mit der sogenannten Sustainable Products Initiative und der EU-Strategie für nachhaltige Textilien. Noch läuft das Gesetzgebungsverfahren. Entstehen sollen daraus rechtsverbindliche EU-Verordnungen, die dann für fast alle physischen Produkte gelten. 

Infografik Die Müllpyramide DE

Ein Bestandteil des Prinzips Ecodesgin ist es, möglichst wenig Müll zu erzeugen und so Ressourcen zu sparen

Dabei soll der gesamte Lebenszyklus betrachtet werden. Neben einer umweltfreundlichen Herstellung und Entsorgung geht es darum, dass Dinge länger halten und besser reparierbar sind. Außerdem soll mehr Recyclingmaterial in der Produktion verwendet werden.

Bei allem Ringen um mehr Nachhaltigkeit dürfe aber die Ästhetik nicht auf der Strecke bleiben, meint Katrin Müller-Russo von der KiSD. “Denn wenn etwas scheußlich aussieht, will es am Ende niemand haben.” Und eine Produktion für die Tonne wäre das Gegenteil von nachhaltig.