Verkehr braucht Klimakurs

Trotz Bemühungen das Bahnfahren attraktiver zu machen, den Flugverkehr langfristig klimafreundlicher und Autos zu elektrifizieren, sinken die CO2-Emissionen nicht schnell genug.

Trotz nationaler Zusagen und Maßnahmen zur CO2-Reduktion im Verkehr wird der CO2-Ausstoß im Verkehr im nächsten Jahrzehnt weiter steigen, heißt es im aktuellen Bericht vom International Transport Forum (ITF).

Ohne ehrgeizigere Ziele und den schnellen Einsatz neuer Technologien werden die CO2-Emissionen bis 2050 voraussichtlich nur um drei Prozent unter dem Niveau von 2019 liegen. 

“Die Herausforderung besteht darin, Technologien einzusetzen und Richtlinien umzusetzen, um den Verkehr ausreichend und schnell auf nachhaltigere Verkehrsträger zu verlagern”, sagt Matteo Craglia, Verkehrsanalyst bei der ITF. Nur so könne die schnell steigende Nachfrage nach Reisen global klimakompatibel bewältigt werden. “Dies ist insbesondere in den Schwellenländern der Fall, in denen die Reisenachfrage voraussichtlich sehr deutlich steigen wird.”

Die ITF, ein globaler Transport-Think Tank innerhalb der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) prognostiziert, dass die globale Verkehrsnachfrage bis 2050 mit dem Wachstum der Weltbevölkerung und der zunehmenden Globalisierung der Gesellschaft um 79 Prozent steigen wird. Zudem würde sich die globale Frachtnachfrage voraussichtlich etwa verdoppeln.

Die Passagiernachfrage wird sich laut Bericht in Afrika südlich der Sahara voraussichtlich mehr als verdreifachen und in Südostasien mehr als verdoppeln.

Diese Schätzungen berücksichtigen bereits den durch COVID erzwungenen Wandel des Lebensstils, der in bestimmten Teilen der Gesellschaft zu mehr Homeoffice und Onlinehandel geführt hat. Allerdings betonen die Autoren auch, dass der Wandel durch die Pandemie von den politischen Entscheidungsträgern nicht als Chance zur Förderung des “grünen Übergangs” übersehen werden sollte.

Verkehr verursacht 20 Prozent der globalen CO2-Emissionen

Der “systemweite Wandel” ist in der Stromerzeugung, dem Transport bis hin zur Produktion eine größere Herausforderung als alles, was die Weltwirtschaft jemals in der Vergangenheit erlebt hat, betont Craglia gegenüber der DW. Und zudem gäbe es regional große Unterschiede.

“Nicht alle Länder haben die gleichen Möglichkeiten den CO2-Ausstoß zu senken, oder haben Regierungen, um die erforderlichen Reformen und Maßnahmen zur Beschleunigung der Dekarbonisierung voranzutreiben”, sagt er und verweist auf die Kluft zwischen Ländern mit hohem und niedrigem Einkommen.

Um eine Chance zur Begrenzung der Erderhitzung auf 1,5-Grad zu haben, zur Einhaltung des Pariser Klimaabkommens, müsste laut Weltklimarat (IPCC) der CO2-Ausstoß des globalen Verkehrs bis 2050 um 80 Prozent sinken im Vergleich zu 2015.

Derzeit verursacht der Straßen-, Luft-, Schiffs- und Bahnverkehr 20 Prozent der CO2-Emissionen.

Auch wenn das Ausmaß der Veränderungen entmutigend erscheint, ist Craglia zuversichtlich, dass Autos auf dem besten Weg sind, den Wandel zu vollziehen und E-Fahrzeuge wettbewerbsfähig werden. 2035 wird jeder vierte PKW weltweit elektrisch fahren, prognostizieren die Autoren im ITF-Bericht.

Die Szenarien seien plausibel, “jetzt geht es nur noch um die Bereitstellung der Infrastruktur”, sagt Craglia. Dazu gehören Stromnetze mit Ökostrom, ausreichend Ladestationen und das auch für schwere Lkw. 

Über ein Fünftel der verkehrsbedingten Emissionen verursacht derzeit der Luft- und Schiffsverkehr. “Die Technologien zu ihrer Dekarbonisierung befinden sich noch in einem frühen Stadium der Entwicklung”, sagt Craglia.

Neben der Produktion von klimafreundlicheren Kraftstoffen aus Strom, Algen, alten Bratölen und landwirtschaftlichen Abfällen empfiehlt Craigla hier die Einführung von einem entsprechenden CO2-Preis.

Infografik Verkehrsmittel im Vergleich Zug, Bus, Auto, Flugzeug

Nachfrage zu nachhaltigem Reisen soll steigen

Technologie sei aber nicht die einzige Möglichkeit zur CO2-Reduktion im Verkehr betont Craglia. Auch die Änderung der Gewohnheiten und die Förderung einer Umstellung auf nachhaltigere Optionen seien von entscheidender Bedeutung. Wichtig wird dies seiner Meinung nach zum einen in etablierten Verkehrsnetzen und in besonders schnell wachsenden städtischen Gebieten von Afrika und Asien, wo eine bedeutende Verkehrsinfrastruktur noch aufgebaut werden muss. Zu den nachhaltigen Optionen gehören öffentliche Verkehrsmittel, Mitfahrgelegenheiten, zu Fuß gehen, Radfahren und E-Roller.

“Schwellenländer helfen bei der Umstellung auf nachhaltigere Verkehrssysteme. Die gemeinsame Nutzung von Verkehrsträgern und die eigene Bewegung ist besonders wichtig”, so Craglia. “Das sind die leicht zu erreichenden Früchte, die wirklich die Aufmerksamkeit der politischen Entscheidungsträger verdienen.”

Klimaschutz braucht Tempo für Verkehrswende

Auf den Tagungen des International Transport Forums tauschen sich Entscheidungsträger über die erforderlichen Maßnahmen aus. Vom 24. bis 26. Mai sind in diesem Jahr im ostdeutschen Leipzig rund 50 Verkehrsminister, Abgeordnete aus der ganzen Welt dabei. Die Organisatoren wollen außerdem den Verkehr zu einem Schlüsselthema auf der nächsten Klimakonferenz in Dubai machen.

Craglia betont gegenüber der DW, dass in den letzten Jahren die politischen Ambitionen gestiegen sind. Als Beleg hierfür sieht er die Bemühungen in den USA zur Förderung des emissionsfreien Verkehrs mit dem Inflation Reduction Act, die Pläne der EU für ein faktisches Ende von neuen PKW mit Verbrennungsmotoren bis 2035 und ähnliche Bestrebungen für Veränderungen im Personen- und Güterverkehr, auch in anderen Regionen.

“Die Herausforderung besteht darin, dass in allen Ländern der Welt noch mehr Ehrgeiz erforderlich ist”, so Craigla. “Und wenn wir die Ziele des Pariser Klimaabkommens erreichen wollen, dann muss das sehr schnell beschleunigt werden.”

Redaktion: Jennifer Collins

Adaption aus dem Englischen: Gero Rueter

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