Das Wichtigste in Kürze:
- Guterres “schockiert” über Raketenangriff auf Kiew
- Russland lehnt freien Abzug von Kämpfern aus Mariupol ab
- Biden will Ukraine weitere 33 Milliarden Dollar gewähren
- Europarat fordert Einsetzung von Ukraine-Sondertribunal
- Staatskonzern Gazprom korrigiert Prognose für 2022
Erstmals seit rund zwei Wochen sind aus der ukrainischen Hauptstadt Kiew wieder russische Raketenangriffe gemeldet worden – während sich dort UN-Generalsekretär António Guterres aufhielt. Staatspräsident Wolodymyr Selenskyj berichtete am Donnerstagabend von fünf Einschlägen. Nach Angaben des Rettungsdienstes wurden mindestens zehn Menschen verletzt. Ein 25-stöckiges Wohngebäude sei teilweise zerstört worden, heißt es.
Der ukrainische Außenminister Dmytro Kuleba schrieb auf Twitter von einem “hasserfüllten Akt der Barberei”. “Russland hat ein weiteres Mal seine Haltung gegenüber der Ukraine, Europa und der Welt gezeigt”, schrieb Kuleba.
Vor kurzem noch habe Guterres im Kreml gesessen und nun gebe es Explosionen über seinem Kopf. “Ist das ein Gruß aus Moskau?”, fragte Selenskyj-Berater Michail Podoljak. Ein Sprecher des UN-Generalsekretärs schrieb an Journalisten, Guterres und sein Team seien in Sicherheit, aber “schockiert”.
“Quelle großer Enttäuschung”
Bei einer vorangegangenen Pressekonferenz mit Selenskyj hatte Guterres auch den UN-Sicherheitsrat kritisiert: Dieser habe “es versäumt, das in seiner Macht Stehende zu tun, um diesen Krieg zu verhindern und zu beenden.” Für ihn sei dies “Quelle großer Enttäuschung, Frustration und Wut”, betonte Guterres. Doch UN-Mitarbeiter täten alles, um den Menschen in der Ukraine zu helfen.
Selenskyj zeigte sich nach dem Gespräch mit Guterres optimistisch. Nun glaube er daran, dass die Belagerung des Mariupoler Stahlwerks Azovstal beendet werden könne. Der UN-Chef hatte nach eigenen Angaben am Dienstag in Moskau von Kremlchef Wladimir Putin eine prinzipielle Zusage zur Schaffung eines humanitären Korridors erhalten. Auf dem Werksgelände sitzen nach ukrainischen Angaben neben zahlreichen Kämpfern auch bis zu 1000 Zivilisten fest.
Moskau will keinen Korridor für Kämpfer
Russland hat Verhandlungen über einen Korridor für alle im Stahlwerk Azovstal Eingeschlossenen abgelehnt. Präsident Wladimir Putin habe es “ganz klar gesagt: Die Zivilisten können gehen und zwar in jede Richtung, die Militärs müssen rauskommen und ihre Waffen niederlegen”, sagte Kremlsprecher Dmitri Peskow. Den Militärs werde das Leben und medizinische Versorgung garantiert. Mehr aber nicht. Einen freien Abzug wolle man ihnen nicht gewähren.
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Raketenangriffe auch im Süden der Ukraine
Auch die südukrainische Hafenstadt Odessa ist am Donnerstagabend unter Raketenbeschuss geraten. Dabei habe die Luftabwehr mehrere russische Raketen abgeschossen, sagte der örtliche Militärvertreter Maxim Martschenko. “Wir haben den Himmel unter Kontrolle.” Zuvor sei bereits eine russische Aufklärungsdrohne zerstört worden.
Ebenfalls beschossen wurde die Stadt Mykolajiw, wie die Militärführung des Wehrbezirks Südukraine mitteilte. Durch den Beschuss seien Dutzende Privatwohnungen, Autos und Geschäfte beschädigt worden.
Biden stellt Ukraine weitere Gelder in Aussicht
Die US-Regierung will weiter gewaltige Summen auf den Weg bringen, um die Ukraine im Krieg gegen Russland zu unterstützen. Präsident Joe Biden kündigte in Washington an, den Kongress hierzu um die Bewilligung von weiteren 33 Milliarden US-Dollar zu bitten. 20 Milliarden davon sollen für Militärhilfe genutzt werden, etwa achteinhalb Milliarden für wirtschaftliche Hilfe.

Joe Biden im Weißen Haus
“Wir müssen das tun”, sagte Biden bei einem Auftritt im Weißen Haus. Die Hilfe sei nicht billig. Noch teurer käme es aber zu stehen, Russlands Aggression unbeantwortet zu lassen, mahnte er. Vorwürfe aus Moskau, die NATO führe in der Ukraine einen Stellvertreterkrieg gegen Russland, wies Biden zurück.
Europarat befürwortet Ukraine-Sondertribunal
Die Parlamentarische Versammlung des Europarats (Pace) hat die Einrichtung eines internationalen Strafgerichts für Verbrechen im Ukraine-Krieg gefordert. Die Mitgliedstaaten und Partner der Straßburger Länderorganisation sollten “dringend” ein derartiges Sondertribunal ins Leben rufen, erklärte Pace. Ziel sei es, mögliche Verbrechen “von politischen und militärischen Anführern der Russischen Föderation” zu untersuchen und zu verfolgen.
Das Strafgericht sollte demnach internationale Haftbefehle ausstellen können, ohne durch etwaige Immunitäten der Beschuldigten in ihrem Heimatland behindert zu werden. Die Europarats-Abgeordneten schlagen vor, das Tribunal in Straßburg einzurichten, um von “Synergien” mit dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte zu profitieren, dem juristischen Arm des Europarats.
Ukraine künftig ohne OSZE-Beobachtermission
Die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) hat das offizielle Ende ihrer Beobachtermission in der Ukraine verkündet. Russland habe der Organisation keine Wahl gelassen, indem es Ende März gegen eine Mandatsverlängerung gestimmt habe, erklärte der amtierende OSZE-Präsident, der polnische Außenminister Zbigniew Rau.
Die Beobachtermission der OSZE in der Ukraine war nach der Annexion der ukrainischen Halbinsel Krim durch Russland im März 2014 eingerichtet worden. Die OSZE-Mitarbeiter waren unter anderem im Osten der Ukraine stationiert, wo pro-russische Separatisten seit 2014 gegen die ukrainische Armee kämpften.
Gazprom dämpft Aussichten nach Rekordgewinn
Der russische Energieriese Gazprom hat im abgelaufenen Jahr ein Rekordergebnis erzielt, wegen der westlichen Sanktionen allerdings die Erwartungen für das Jahr 2022 gesenkt. “Der für das Finanzergebnis wichtigste Faktor waren die Preissteigerungen für Öl und Gas”, teilte das Staatsunternehmen in seiner Pressemitteilung mit. Demnach konnte Gazprom im vergangenen Jahr umgerechnet rund 28 Milliarden Euro Gewinn erzielen – ein Rekord. Allerdings lag das Ergebnis im vierten Quartal 2021 trotz der kräftig gestiegenen Rohstoffpreise schon deutlich unter den Prognosen. Gazprom begründete dies mit Abschreibungen seiner europäischen Vermögenswerte vor dem Hintergrund der geopolitischen Spannungen.

Gazprom-Anlage in St. Petersburg (Archiv)
Die Krise im Verhältnis zum Westen beeinflusst auch die Geschäftsaussichten des Konzerns im Jahr 2022: Hier erwartet Gazprom einen Rückgang der Förderung um rund vier Prozent, während das Unternehmen zuvor von einer Steigerung ausgegangen war.
Wegen des Streits mit der EU um die Umstellung von Gaszahlungen auf Rubel hat Russland bereits die Lieferungen nach Polen und Bulgarien eingestellt. Auch Bundeskanzler Olaf Scholz hatte gewarnt, dass sich Deutschland auf einen Gas-Stopp vorbereiten müsse.
Gauck warnt Deutschland vor “Ängstlichkeit”
Der frühere Bundespräsident Joachim Gauck hat Deutschland mit Blick auf den Ukraine-Krieg zu Selbstbewusstsein und einer aktiven Rolle aufgefordert. Drohungen russischer Politiker etwa seien nach seiner Einschätzung “eine sehr bewusst eingesetzte Strategie, die besonders in der Mitte Europas verfängt”, meinte der 82-Jährige.

Joachim Gauck
Deutschland habe eine “besondere Neigung zur Ängstlichkeit”, so Gauck weiter. Diese äußere sich manchmal in einer Zurückhaltung, “wo wir nicht zurückhaltend sein dürften”. Wenn Menschen Opfer von Gewalt würden, dürfe es keine Zurückhaltung geben, unterstrich er. Vielmehr müssten alle Möglichkeiten gesucht werden, um diesen Menschen beizustehen. Das ehemalige Staatsoberhaupt äußerte sich bei einer Talkveranstaltung des RedaktionsNetzwerks Deutschland (RND) im Haus der “Leipziger Volkszeitung”.
wa/ack (dpa, afp, rtr)
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