Der ungewöhnliche Schlaf der See-Elefanten

An Land lungern See-Elefanten gern herum. Die meiste Zeit dösen sie selig vor sich hin und lassen sich die Sonne auf den Pelz scheinen. Forschende haben nun aber mehr über die Schlafgewohnheiten der Tiere herausgefunden. Und die sind spannender als das stundenlange Rumlungern vermuten lässt. Ihre Ergebnisse haben sie im Fachmagazin Science veröffentlicht. 

Der Nördliche See-Elefant (Mirounga angustirostris) ist eine von zwei Arten der See-Elefanten. Er ist im Ostpazifik an der Küste Nordamerikas von Niederkalifornien bis Alaska und den Aleuten heimisch. Die Kolonien der Tiere bevorzugen den Bereich um Baja California und die kalifornischen Küste.

Ein paar See-Elefanten dösen am Strand

Während der Paarungszeit schlafen See-Elefanten rund zehn Stunden pro Tag

Den größten Teil ihres Lebens verbringen die See-Elefanten im Meer, nur zum Fellwechsel und für die dreimonatige Paarungs- und Wurfzeit bilden sie große Kolonien an der Küste und auf vorgelagerten Inseln.

Währenddessen schlafen See-Elefanten viel. Sehr viel. Da kommen sie gut und gerne auf zehn Stunden pro Tag. Und auf See? Wie und wann schlafen See-Elefanten Unterwasser? Diesen Fragen sind Forschende der UC Santa Cruz genauer nachgegangen, indem sie die Gehirnaktivität der wildlebenden Meeressäuger aufgezeichnet haben.

Wann schlafen See-Elefanten?

“Seit Jahren ist eine der zentralen Fragen zu See-Elefanten, wann sie schlafen”, sagt Daniel Costa, Professor für Ökologie und Evolutionsbiologie an der UC Santa Cruz. Er leitet das Institut für Meereswissenschaften dort. Im Rahmen des UCSC-Forschungsprogramms für See-Elefanten im Año Nuevo-Reservat werden immer ausgefeiltere Methoden verwendet, um die Bewegungen und das Tauchverhalten der Robben während ihrer Nahrungssuche zu verfolgen. Denn während sich die Tiere am Strand während der Paarungszeit gut beobachten lassen, ist wenig darüber bekannt, wie sie sich auf See verhalten. 

“Die Tauchaufzeichnungen zeigen, dass sie wirklich ständig tauchen, also dachten wir, dass sie während der sogenannten Strömungstauchgänge, bei denen sie aufhören zu schwimmen und langsam sinken, schlafen müssen”, so Costa.

Doch bislang war dies nur eine Vermutung. “Jetzt können wir endlich sagen, dass sie während dieser Tauchgänge definitiv schlafen, und wir haben auch festgestellt, dass sie im Vergleich zu anderen Säugetieren insgesamt nicht sehr viel schlafen. 

Während ihrer monatelangen Aufenthalte auf See konkurrieren die See-Elefanten sogar mit den afrikanischen Elefanten. Mit zwei Stunden pro Tag halten die Dickhäuter bisher unter den Säugetieren den Rekord für die kürzeste Schlafdauer.

Ungewöhnlicher Schlafrhythmus

Das Ungewöhnliche bei den See-Elefanten sei aber, dass sie abwechselnd viel und sehr wenig Schlaf bekommen, so Jessica Kendall-Bar. Sie ist Leiterin der Studie und derzeit als Postdoktorandin am UC San Diego’s Scripps Institution of Oceanography tätig.

See-Elefanten sind für Raubtiere wie Haie und Schwertwale am angreifbarsten, wenn sie sich an der Oberfläche im offenen Ozean aufhalten, weshalb sie zwischen den Tauchgängen nur ein oder zwei Minuten an der Oberfläche atmen.

“Sie sind in der Lage, ihren Atem für eine lange Zeit anzuhalten, sodass sie bei diesen Tauchgängen tief unter der Oberfläche, wo es sicher ist, in einen tiefen Schlummer fallen können”, erklärt Kendall-Bar.

Der Ozean als Schlaflabor 

Die Evolutionsbiologin hat ein System für die wildlebenden See-Elefanten entwickelt, mit dem die Gehirnaktivität während ihres normalen Tauchverhaltens im Meer aufgezeichnet werden kann. Der Aufbau ist vergleichbar mit dem einer menschlichen Schlafstudie im Schlaflabor: Die Tiere trugen eine Neoprenhaube mit EEG-Sensoren und einem kleinen Datenschreiber, dazu einige andere Messinstrumente. 

Ein Proband trägt eine EEG-Haube (Elektroenzephalogramm)

Wie im Schlaflabor: Auch die See-Elefanten trugen eine Neoprenhaube mit EEG-Sensoren, die die Hirnaktivität aufzeichnen können.

Die Daten zeigen, wie die Tiere in etwa 150 Metern Tiefe in das Tiefschlafstadium, den sogenannten Slow-Wave-Schlaf (SWS), eintreten, während sie im Wasser kontrolliert nach unten gleiten, und dann in 200 Metern Tiefe in den REM-Schlaf (Rapid-Eye-Movement) übergehen.

Die See-Elefanten verlieren währenddessen die Haltungskontrolle, sie drehen sich auf den Rücken und treiben in einer Art Schlafspirale nach unten. “Wie ein fallendes Blatt”, erklärt Terrie Williams, ebenfalls Professorin für Ökologie und Evolutionsbiologie an der UCSC. Danach folgt erneut eine SWS-Phase und die Tiere sind nach dem kurzen, etwa zehnminütigen Nickerchen in der Tiefe wieder aktiv.

In flacheren Gewässern hingegen über dem Kontinentalschelf schlafen See-Elefanten manchmal auch auf dem küstennahen Meeresboden. Die Schlafdaten geben den Forschenden Aufschluss über die Entscheidungsprozesse der Meeressäuger – also darüber, wo und in welchen Tiefen sie sich sicher genug fühlen, um einzuschlafen, erklärt Williams.

Ruhezonen für See-Elefanten

In die finale Analyse sind einerseits die Daten über die Gehirnaktivität und das Tauchverhalten von Kendall-Bars Messsystem eingeflossen, aber auch Daten, die Daniel Costa in 25 Jahren Arbeit mit See-Elefanten in Año Nuevo zusammengetragen hat.

“Dadurch konnte ich die Ergebnisse auf über 300 Tiere hochrechnen und einen Blick auf das Schlafverhalten der Population werfen”, sagt Kendall-Bar. Sie plant, ähnliche Methoden zur Untersuchung der Gehirnaktivität bei anderen Robben- und Seelöwenarten sowie bei Apnoetauchenden einzusetzen.

Die Ergebnisse könnten auch für den Artenschutz hilfreich sein, da sie eine “Schlaflandschaft” mit bevorzugten Ruhezonen aufzeigen. “Normalerweise kümmern wir uns um den Schutz der Gebiete, in denen die Tiere fressen, aber vielleicht sind die Orte, an denen sie schlafen, genauso wichtig wie alle anderen kritischen Lebensräume”, so die Ökophysiologin Terrie Williams.