Folgt auf die Euphorie der Euro 2022 Tristesse in der Frauen-Bundesliga?

Nach der Euphorie um das DFB-Team bei der Euro 2022 hat der frühere Bundestrainer Horst Hrubesch Klartext geredet. “Ich hoffe, dass der Hype bleibt, sich der Frauenfußball weiterentwickelt. Nur leere Worte werden nicht reichen”, sagte Hrubesch dem TV-Sender “Sport1”. In der Diskussion der vergangenen Wochen schälten sich drei Kernforderungen heraus.

Grundgehalt in der ersten und zweiten Bundesliga

“Wir Fußballerinnen sollten ab der zweiten Liga so gut verdienen, dass niemand mehr nebenbei arbeiten gehen muss”, forderte Vizeeuropameisterin Lina Magull bereits während des Turniers in England. “Da sprechen wir von einem Mindestgehalt von 2000, 3000 Euro im Monat. So kannst du die Entwicklung im Frauenfußball nachhaltig voranbringen.” Sie benötige keine 20 oder 30 Millionen Euro im Jahr, so Magull. Aber ein Blick ins europäische Ausland zeige, wie es funktionieren könne: “In England müssen Lizenzvereine ihre Spielerinnen professionell bezahlen, damit sie in der Liga spielen dürfen. Ich weiß nicht, warum das in Deutschland nicht geht.”

Deutsche Spielerinnen bejubeln Lina Magull, nachdem diese den 1:1-Ausgleich im Finale der Euro 2022 gegen England erzielt hat.

Lina Magull (2.v.r.), Führungspersönlichkeit auf und neben dem Platz

In der spanischen Liga Primera Iberdrola hatten sich die Spielerinnen 2019 einen Tarifvertrag erstreikt, der einen Mindestlohn in Höhe von 16.000 Euro im Jahr und eine Mutterschutz-Regelung festschrieb. Zuvor hatten 49 Prozent der Spielerinnen in Spaniens erster Liga gar kein Gehalt bekommen, weitere 31 Prozent weniger als 6000 Euro im Jahr. In Englands erster Liga, der Women’s Super League, liegt der durchschnittliche Lohn von Spielerinnen nach Presseberichten bei rund 30.000 Pfund (rund 35.000 Euro) pro Jahr. Das macht einen Monatsverdienst von umgerechnet rund 3000 Euro.

Auch Bundestrainerin Martina Voss-Tecklenburg forderte nach der EM ein Grundgehalt für deutsche Profifußballerinnen, “denn wir haben fast 50 Prozent in der Bundesliga, die noch nebenbei arbeiten, weil sie nicht von dem Leben können, was sie im Fußball verdienen.” Eine an DFB-Präsident Bernd Neuendorf gerichtete Internet-Petition für einen Mindestlohn von 3000 Euro monatlich in der Frauen-Bundesliga wurde inzwischen (Stand 2. August) von mehr als 17.000 Menschen unterschrieben.

Mehr Medienpräsenz

Das EM-Finale zwischen England und Deutschland sahen in der ARD knapp 17 Millionen Menschen, so viele wie noch niemals zuvor bei einem im deutschen TV übertragenen Fußballspiel der Frauen. “Die erfolgreiche EM hilft der Sichtbarkeit und der Präsenz von Frauen im Fußball enorm”, sagte DFB-Manager Holger Blask der Deutschen Presse-Agentur. “Die Rekord-Einschaltquoten zeigen, dass das Interesse in der Gesellschaft vorhanden ist.” Doch gilt das auch für die Bundesliga der Frauen?

In der vergangenen Saison wurden erstmals alle Bundesliga-Spiele live übertragen, allerdings nur auf Magenta Sport, dem Bezahlsender des Unternehmens Deutsche Telekom. Der Vertrag läuft noch bis Mitte 2023. Bis dahin überträgt der frei empfangbare Sender Eurosport eine Freitagspartie pro Spieltag. Im Schnitt verfolgten in der vergangenen Saison nach Angaben des Senders rund 100.000 Menschen pro Partie die Live-Übertragungen der Freitagsspiele. Auch die ARD hat das Recht, ein Spiel pro Spieltag live zu übertragen. Im Oktober 2021 sahen immerhin 1,5 Millionen Menschen die Bundesligapartie zwischen dem FC Bayern und der TSG Hoffenheim.

Blick auf die ausverkauften Ränge des Wembleystadions, mit vielen Zuschauern, die deutsche und englische Flaggen schwenken

Wird das Interesse an Deutschlands Fußball-Spielerinnen nachhaltig sein?

In Großbritannien erreichten die Live-Übertragungen des Senders Sky Sports in der vergangenen Saison im Schnitt 125.000 Zuschauende, Tendenz stark steigend. 

Im Oktober vergibt der DFB die Rechte für vier Spielzeiten ab 2023. Erstmals wird die Frauen-Bundesliga nicht im Paket mit der 3. Liga der Männer angeboten. Außerdem kündigte der DFB ab Mitte 2023 Montagsspiele an. In der Bundesliga und der 2. Liga der Männer waren die bei den Fans ungeliebten Montagsspiele abgeschafft worden, in der 3. Liga laufen sie in der nun beginnenden Saison aus.

Nachwuchsförderung und professionelle Strukturen

Ex-Nationaltrainer Hrubesch stellt der Nachwuchsarbeit in Deutschland ein schlechtes Zeugnis aus. Es gebe “immer noch Probleme, die Mädels auf einen richtig professionellen Stand zu bringen”, sagte Hrubesch auch mit Blick auf Trainingsplätze oder Anstoßzeiten. “Wir müssen die Talente mehr fördern, in die großen Stadien gehen”, forderte auch Bundestrainerin Voss-Tecklenburg. Nationalspielerin Svenja Huth wünscht sich, “dass alle Vereine eine gute Infrastruktur und medizinische Betreuung haben”.

Bisher gilt das allenfalls für die Frauenmannschaften, die großen Männervereinen angegliedert sind – wie die drei Erstplatzierten der vergangenen Saison, Meister VfL Wolfsburg, Vizemeister FC Bayern und Eintracht Frankfurt. Den beiden Absteigern, SC Sand und FC Carl Zeiss Jena fehlte ein solcher professioneller und gleichzeitig finanzstarker Hintergrund.

Zweikampf zwischen der Wolfsburgerin Ewa Pajor und Bayern-Spielerin Glodis Viggosdottir beim Topspiel Anfang April in Wolfsburg

Das Bundesliga-Topspiel zwischen Wolfsburg und Bayern sahen im April rund 7000 Zuschauende – im “kleinen” Stadion

Ob ein Umzug in größere Stadien zu einer dauerhaft höheren Zahl an Zuschauerinnen und Zuschauern in der Bundesliga führt, bleibt abzuwarten. Bisher war dies allenfalls die Ausnahme – etwa bei den Champions-League-Spielen der Wölfinnen gegen den FC Arsenal und den FC Barcelona. Immerhin wird das Eröffnungsspiel der Bundesliga-Saison am 16. September – wie bei den Männern das Duell Eintracht Frankfurt gegen FC Bayern – in der mehr als 50.000 Fans fassenden Frankfurter WM-Arena ausgetragen.

Die Frankfurterinnen hatten in der zurückliegenden Saison den besten Zuschauenden-Schnitt der zwölf Bundesligaklubs: 1580 pro Spiel. Auf alle zwölf Mannschaften gerechnet, sahen durchschnittlich je rund 800 Fans die Partien. Da ist also noch reichlich Luft nach oben.