Ukraine aktuell: “Wir treiben sie über die Grenze”

 

Das Wichtigste in Kürze:

  • Selenskyj verspricht vollständige Rückeroberung 
  • Tödlicher Anschlag auf ukrainischen Überläufer
  • IAEA-Trip nach Saporischschja erfreut die USA
  • Habeck: “Kein Zurück zu fossilen Energien”

 

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat seinen Landsleuten eine Rückeroberung aller von Russland besetzten Gebiete versprochen. Er ging in seiner Videoansprache vom Montagabend aber nur in Andeutungen auf die neue ukrainische Gegenoffensive im Süden des Landes ein. Niemand, der sich verantwortlich verhalte, werde im Krieg etwas zu seinen Plänen sagen, betonte der Präsident. “Aber die Besatzer sollen es wissen: Wir treiben sie über die Grenze. Über unsere Grenze, an der sich nichts geändert hat.”

“Wenn die russischen Soldaten überleben wollen, ist es jetzt Zeit, nach Hause zu gehen”, erklärte Selenskyj. Wer Angst habe, nach Russland zurückzukehren, solle sich ergeben. “Wir garantieren ihnen die Einhaltung aller Normen der Genfer Konventionen”, versprach der Staatschef.

Unklare Situation an der Front im Süden

Ukrainische Truppen haben nach Angaben der Regierung in Kiew bei ihrer Gegenoffensive nahe Cherson die russischen Verteidigungslinien an mehreren Stellen durchbrochen. Zudem seien Boote angegriffen worden, mit denen russische Truppen über den Fluss Dnipro (Dnepr) hinweg versorgt würden, berichtete ein hochrangiger Berater von Präsident Wolodymyr Selenskyj.

Das Verteidigungsministerium in Moskau meldete hingegen militärische Rückschläge für die Ukraine. In den Regionen Mykolaiw und Cherson habe der Gegner signifikante Verluste erlitten, hieß es. “Die versuchte Offensive des Feindes ist erbärmlich gescheitert.” Die Angaben ließen sich nicht unabhängig überprüfen.

Ukraine-Krieg | Cherson

Zerstörte Gebäude in Cherson (Archiv)

Tödlicher Anschlag auf ukrainischen Überläufer

In der Region Cherson ist ein ukrainischer Abgeordneter erschossen worden, der in den Dienst der russischen Besatzungstruppen getreten war. Wie russische Ermittler mitteilten, wurde Olexij Kowaljow bereits am Sonntag in seinem Haus getötet. Auch seine Freundin sei dem Anschlag zum Opfer gefallen.

Der Agrarunternehmer Kowaljow war 2019 über ein Direktmandat für die Präsidentenpartei “Diener des Volkes” in die Oberste Rada in Kiew gewählt worden. Im April wurde er nach seiner Rückkehr in seine Heimatregion aus Partei und Fraktion wegen des Verdachts der Zusammenarbeit mit Moskau ausgeschlossen. Die Staatsanwaltschaft ermittelte wegen Hochverrats. In der Besatzungsbehörde des Gebiets Cherson amtierte er als Vizegebietschef und Landwirtschaftsminister. Ende Juni hatte er einen Sprengstoffanschlag überlebt.

UN-Menschenrechtsbüro zieht Zwischenbilanz

Seit Kriegsbeginn sind in der Ukraine nach UN-Angaben mindestens 5663 Zivilisten getötet worden, unter ihnen 365 Kinder. Mehr als 8000 weitere Personen erlitten Verletzungen, wie das Menschenrechtsbüro der Vereinten Nationen in Genf bekanntgab. Es sei allerdings von einer wesentlich höheren Zahl von Opfern auszugehen, insbesondere in den Regionen Donezk, Charkiw und Luhansk. Informationen aus umkämpften Gebieten träfen verzögert ein, viele Berichte müssten noch überprüft werden, so das Menschenrechtsbüro.

Ukraine | Massengräber in Butscha

Beerdigung von Zivilisten (Mitte August)

IAEA-Trip nach Saporischschja erfreut die USA

Die US-Regierung begrüßt die geplante Inspektion des russisch besetzten Atomkraftwerks Saporischschja in der Ukraine durch Experten der Internationalen Atomenergie-Behörde (IAEA). “Wir freuen uns, dass das Team auf dem Weg ist, um die Sicherheit und den Schutz der dortigen Systeme zu überprüfen und die Arbeitsbedingungen des Personals zu evaluieren”, erklärte der Kommunikationsdirektor des Nationalen Sicherheitsrates, John Kirby. Zugleich appellierte er an Russland, den Inspektoren einen sicheren und ungehinderten Zugang zu dem AKW zu gewähren.

Außerdem plädierte Kirby dafür, eine entmilitarisierte Zone rund um das Kraftwerk einzurichten. “Ein Kernkraftwerk ist kein geeigneter Ort für Kampfhandlungen”, mahnte er. “In der Zwischenzeit sind wir nach wie vor der Meinung, dass eine kontrollierte Abschaltung der Kernreaktoren von Saporischschja kurzfristig die sicherste und risikoärmste Option wäre.”

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IAEA-Experten reisen in die Ukraine

Habeck: “Kein Zurück zu fossilen Energien”

Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck hat abermals für einen schnellen Umbau der Wirtschaft hin zu erneuerbaren Energien geworben. “Die Transformation findet statt”, sagte der Grünen-Politiker bei einer Veranstaltung in Berlin. Es gebe kein Zurück zu fossilen Energien, Deutschland sei viel zu abhängig von russischen Lieferungen geworden. “Es wird auch nicht wiederkommen”, sagte Habeck mit Blick auf russisches Gas.

Der Koalitionspartner FDP forderte vor der Klausur der Bundesregierung auf Schloss Meseberg, dass sich Deutschland den Weiterbetrieb der drei verbliebenen Atomkraftwerke hierzulande offen hält. Parteichef und Bundesfinanzminister Christian Lindner geht nach eigenen Worten davon aus, dass ein gravierender Strommangel droht, “den man auch mit Hilfe der Atomkraft bekämpfen sollte”, wie er dem Fernsehsender “Welt” sagte. “Unsere Städte werden teilweise dunkler sein, weil wir Strom sparen müssen. In einer solchen Situation verzichten wir dann aber auf sichere und klimafreundliche Möglichkeiten der Stromproduktion wie die Kernenergie? Mich überzeugt das nicht”, so Lindner wörtlich.

Deutschland Bayern | Kernkraftwerk Isar aus der Luft

Atomkraftwerk Isar in Bayern: Darf es auch noch 2023 Strom liefern?

Spanien will Bürgern keine Duschtipps geben

Trotz steigender Energiepreise will Spaniens Regierung insbesondere den Privathaushalten keine Konsumrestriktionen aufbürden. “Muss ich den Familien sagen, dass sie mit kaltem Wasser duschen sollen, wie es die deutsche Regierung getan hat? Das würde mir nicht im Traum einfallen”, sagte die Ministerin für Ökologischen Wandel, Teresa Ribera. Vorstellen könne sie sich aber zum Beispiel Kampagnen, um “alte Gewohnheiten wiederzubeleben, wie etwa das Ausschalten von Licht, wenn es nicht benötigt wird, oder dass man die Heizung nicht so weit aufdreht”.

Auch Spanien müsse Energie einsparen, sei aber “viel besser auf die Krise vorbereitet als andere Länder”, betonte die Ministerin der linksgerichteten Regierung von Ministerpräsident Pedro Sánchez. Vor allem sei man vom russischen Gas nicht so abhängig wie Deutschland.

wa/fw (dpa, afp, rtr, kna)

Dieser Artikel wird am Tag seines Erscheinens fortlaufend aktualisiert. Meldungen aus den Kampfgebieten lassen sich nicht unabhängig überprüfen.