Ukraine zieht Wehrpflichtige und Reservisten zur Verteidigung ein

Hier die wichtigsten Informationen im Überblick:

  • Russische Truppen sind bis unweit der ukrainischen Hauptstadt Kiew vorgedrungen
  • Am ersten Tag des Angriffskrieges wurden nach ukrainischen Angaben 137 Zivilisten und Militärangehörige getötet
  • Präsident Selenskyj hat eine Generalmobilmachung der Bevölkerung angeordnet
  • Die EU sowie die USA haben weitreichende Sanktionspakete beschlossen

Nach dem russischen Einmarsch in die Ukraine werden Wehrpflichtige und Reservisten zur Verteidigung ihres Landes eingezogen. Präsident Wolodymyr Selenskyj unterzeichnete ein Dekret zur Generalmobilmachung, meldeten mehrere ukrainische Nachrichtenagenturen. Die Anordnung gilt für 90 Tage. Zudem dürfen männliche Staatsbürger im Alter von 18 bis 60 Jahren das Land nicht mehr verlassen.

Laut Selenskyj wurden am Donnerstag landesweit 137 ukrainische Zivilisten und Soldaten im Zuge der russischen Invasion getötet. In einer Videobotschaft bezeichnete er sie als “Helden”. Hunderte weitere seien bislang verletzt worden. Über die russischen Angreifer sagte er: “Sie töten Menschen und verwandeln friedliche Städte in militärische Ziele. Das ist schändlich und wird nie vergeben werden.”

Ukraine fordert Swift-Ausschluss Russlands

Die Europäische Union und die USA hatten mit weitreichenden Strafmaßnahmen gegen Russland reagiert – dabei jedoch bislang keinen Ausschluss aus dem Swift-System verhängt. Selenskyj forderte die EU auf, Russland mit einem solchen Schritt die Mittel zur Fortsetzung seiner Aggression zu entziehen. Swift ist ein zentrales System für internationale Überweisungen; ein Ausschluss Russlands würde einen weitgehende Abkopplung von den Zahlungsströmen bedeuten.

In der EU gehört auch Deutschland zu den Mitgliedsstaaten, die den Schritt aus strategischen Gründen noch zurückhalten wollen: Bundeskanzler Olaf Scholz sagte, man müsse sich über die letzten Beschlüsse hinausgehende Maßnahmen “aufgehalten für eine Situation, wo das notwendig ist, auch noch andere Dinge zu tun”. Am Donnerstagabend (Ortszeit) hatten die Staats- und Regierungschefs der 27 EU-Mitglieder bei einem Sondergipfel in Brüssel weitreichende Sanktionen gegen Russland beschlossen. Einer Mitteilung zufolge zielen die Strafmaßnahmen vor allem auf den Finanz-, Energie- und Technologiesektor ab.

Russisches Transportflugzeug abgestürzt

Ein Transportflugzeug des russischen Militärs ist nach Regierungsangaben im Süden Russlands abgestürzt. Die Besatzung der mit Militärausrüstung beladenen Antonow An-26 sei bei dem Absturz in der Region Woronesch ums Leben gekommen, zitierten russische Nachrichtenagenturen aus einer Erklärung des Verteidigungsministeriums. Wie viele Personen an Bord waren, ging aus der Mitteilung nicht hervor.

Russische Truppen auf dem Vormarsch

Kaum 24 Stunden nach dem Marschbefehl aus Moskau stehen russische Truppenverbände schon vor der ukrainischen Hauptstadt Kiew. Ein westlicher Geheimdienstvertreter sagte der Nachrichtenagentur AFP, Russland habe die “vollständige Lufthoheit” über die Ukraine erlangt. Die Ukraine habe “keine Luftwaffe mehr, um sich zu schützen”. Er gehe davon aus, “dass die Russen in den kommenden Stunden versuchen werden, eine überwältigende Macht um die Hauptstadt zusammenzuziehen”, sagte der Geheimdienstvertreter.

Karte - Wo Russland die Ukraine angegriffen hat - DE

Ukrainischen Angaben zufolge hat Russland einen Militärflughafen bei Kiew sowie das 1986 havarierte Atomkraftwerk Tschernobyl unter seine Kontrolle gebracht. Das ukrainische Militär rechnet damit, dass russische Streitkräfte Kiew abriegeln und die ukrainische Schwarzmeerküste abriegeln wollen. So könnten sie einen Landkorridor schaffen, der die 2014 von Russland annektierte ukrainische Halbinsel Krim mit dem weiter westlich gelegenen Transnistrien verbindet. Das Gebiet gehört zur Republik Moldau, wird jedoch von pro-russischen Separatisten kontrolliert.

Russlands Präsident Wladimir Putin hatte kurz vor dem Einmarsch in einer TV-Ansprache die Entwaffnung und “Entnazifizierung” der Ukraine angekündigt. Dem Angriffskrieg vorausgegangen waren monatelange Truppenaufmärsche in russischen und belarussischen Grenzgebieten zur Ukraine sowie die Anerkennung zweier selbsternannter “Volksrepubliken” in der Ostukraine, die Russland seit 2014 destabilisiert hatte. Die demokratisch gewählte ukrainische Regierung unter Präsident Selenskyj treibt die von der Bevölkerung mehrheitlich unterstützte Westbindung der früheren Sowjetrepublik voran.

ehl/mak (dpa, afp, ap, rtr)