Wie Eritrea den Krieg in Äthiopien befeuert

Endlich bezieht auch Deutschland zu den jüngsten Entwicklungen in Äthiopien Stellung. Gemeinsam mit den USA, Australien, Dänemark, den Niederlanden und Großbritannien verurteilte Deutschland den wieder aufgeflammten Krieg in der nordäthiopischen Tigray-Region.

In der vom US-Außenministerium veröffentlichten Stellungnahme riefen die Staaten Äthiopien und die Region Tigray dazu auf, die Kämpfe auszusetzen und zu Verhandlungen zurückzukehren. Und: “Wir verurteilen die eskalierende Beteiligung eritreischer Truppen in Nordäthiopien.”

Damit benennt auch Deutschland eine Beobachtung, die in den vergangenen Wochen immer offensichtlicher geworden ist: Eritrea beteiligt sich aktiv im Krieg Äthiopiens gegen die regionalen Kräfte in Tigray – mit eigenen Soldaten und Panzern, auf äthiopischem Boden.

Infografik Karte Äthiopien Tigray DE

Umkämpft: Die Region Tigray in Äthiopien grenzt an das Nachbarland Eritrea

Eritrea als Kriegspartei

Erst Ende August war eine fünfmonatige Waffenruhe in dem zwei Jahre währenden Krieg zu Bruch gegangen. “Wir haben eritreische Truppenbewegungen jenseits der äthiopischen Grenze festgestellt – und w,ir verurteilen sie”, sagte der US-Sondergesandte für das Horn von Afrika, Mike Hammer, wenige Wochen später nach einer Reise in die Region. Beweise dafür lieferten unter anderem Satellitenbilder des US-Unternehmens Maxar Technologies.

Dabei hatte es gerade erst einen erneuten Anlauf für Verhandlungen gegeben: Am Samstag hätten sich die Konfliktparteien in Südafrika zu Verhandlungen unter Vermittlung des Sonderbeauftragten der Afrikanischen Union (AU) und des ehemaligen nigerianischen Präsidenten Olusegun Obasanjo treffen sollen. Zugesagt hatten sowohl die Zentralregierung in Addis Abeba als auch die Volksbefreiungsfront von Tigray (TPLF), die in der nordäthiopischen Region die Regierung stellt.

Doch das Treffen fand nicht statt – teils offenbar aus logistischen Gründen. “Die AU hat sehr kurzfristig eingeladen und wenige Details mitgeliefert”, sagt Analyst William Davison von der International Crisis Group im DW-Gespräch. “Wichtige Parteien wie die Regierung von Tigray und der kenianische Abgesandte Uhuru Kenyatta haben um Klarstellung einzelner Punkte gebeten.”

Maxar Satelittenbilder Grenze Äthiopien Eritrea Aufmarsch Militär

Satellitenbilder des privaten Unternehmens Maxar sollen Truppenbewegungen an der eritreisch-äthiopischen Grenze zeigen

Schon im Vorfeld des geplatzten Treffens bestanden Zweifel an dessen Chancen. Der äthiopische Analyst Befekadu Hailu sagte der DW, beide Seiten würden ein klares Bekenntnis zu Verhandlungen vermissen lassen: “Sie haben den Krieg für ihre politische Agenda benutzt.”

Der ghanaische Sicherheitsexperte Adib Saani betonte im DW-Gespräch: “Auch ein x-tes Gespräch kann keinen Frieden bringen, wenn beide Kriegsparteien nicht das nötige Engagement zeigen.” Äthiopien und Tigray müssten vermeiden, sich von äußeren Interessen beeinflussen zu lassen, sagte Saani. “Es sieht ganz danach aus, als ob Dritte in die Situation hineinspielen.”

Erst verbündet, dann verfeindet

Tatsächlich, mutmaßen Beobachter, könnten die Bedingungen für Verhandlungen durch den Einfluss des Nachbarlands Eritrea erschwert sein, das inzwischen bis zu 100.000 Soldatinnen und Soldaten in Äthiopien haben könnte. Dass die eritreische Regierung in Asmara nicht gut auf ihre ehemaligen Verbündeten im Süden zu sprechen ist, ist kein Geheimnis. Die TPLF regierte de facto fast drei Jahrzehnte in Äthiopien, bevor der 2018 gewählte Premierminister Abiy Ahmed einen Kurswechsel einleitete und seinerseits die Aussöhnung mit Eritrea vorantrieb.

In den 1970er und 1980er Jahren waren die damaligen Befreiungsbewegungen aus Tigray und Eritrea gemeinsam gegen das kommunistische Regime in Addis Abeba vorgegangen. Nach dem Sieg der TPLF erlangte Eritrea 1993 die Unabhängigkeit – doch Jahre später führten Streitigkeiten um die Grenzziehung die ehemaligen Verbündeten gegeneinander in den Krieg.

Heute steht Asmara im Tigray-Konflikt augenscheinlich aufseiten der Regierung in Addis Abeba – doch seine Interessen dürften über bloße Hilfestellung für Abiy Ahmed hinausgehen.

Für William Davison ist Eritrea einer von mehreren weiteren entscheidenden Akteuren im Tigray-Konflikt: “Es gibt keinerlei Anzeichen dafür, dass Eritrea an Friedensverhandlungen teilnehmen wird, oder dass es an einer gütlichen Lösung interessiert ist.” Dazu kämen Akteure in der äthiopischen Nachbarregion Amhara, die bei Gesprächen berücksichtigt werden wollten.