Es ist ein bekannter Fakt: Männer kommen nicht in die Wechseljahre. Sie sind meist bis ins hohe Alter zeugungsfähig. Der Zahn der Zeit hinterlässt aber dennoch seine Spuren.
Beim Nachwuchs komme es beispielsweise eher zu Mutationen, sagt Christian Leiber-Caspers. “In einer Reihe von Untersuchungen hat man festgestellt, dass Männer, die über 40, über 50 oder über 60 sind, solche Veränderungen haben.” Der Androloge ist unter anderem Sektionsleiter Andrologie in der Klinik für Urologie, Kinderurologie, Urogynäkologie und Andrologie im Maria-Hilf-Krankenhaus Alexianer Krefeld. “Statistisch gesehen ist dann auch das Risiko für eine mögliche Schädigung oder bestimmte Fehlbildungen bei den Nachkommen größer.”
In den Spermien eines Mannes steigt die Zahl der Mutationen mit jedem Jahr. Dabei wird jeweils das vollständige Erbgut kopiert. Das birgt auch das Risiko, dass kleinere oder größere Fehler passieren. Die können sich im Laufe der Jahre dann potenzieren. Darüber hinaus funktioniert bei älteren Männern die Fähigkeit des Körpers, mögliche Defekte im Erbgut automatisch zu reparieren, nicht mehr so gut.
Gibt ein Mann in seinen 20ern noch etwa 20 Mutationen an sein Kind weiter, sind es bei einem Vater, der in seinen 40ern ist, bereits 65 solcher Mutationen. Der Sohn eines älteren Mannes wird seinerseits eine große Anzahl neuer Mutationen an seinen eigenen Sohn weitergeben und dieser wiederum an seinen Sohn.
Die Zahl der Eizellen nimmt schnell ab
Frauen haben von der ersten Sekunde ihres Lebens an eine bestimmte Anzahl von Eizellen, die aber bereits ab dem Tag der Geburt immer weniger werden. Irgendwann sind sie dann aufgebraucht. Die Wechseljahre sind da. Ein Mann hingegen produziert ständig neue Spermien. “Bei einem gesunden jungen Mann gehen wir davon aus, dass er in einer Ejakulatprobe mehr als 39 Millionen Spermien hat. Bei einigen kann es sogar vorkommen, dass sie durchaus mal 200, 300 oder sogar 400 Millionen Spermien haben”, so Leiber-Caspers. “Obwohl man etliche Millionen Spermien an den Start schickt, ist es am Ende nur ein einzelnes Spermium, das die Eizelle befruchtet.”
Hier findet also eine intensive Selektion statt, sodass nur das beweglichste, das beste und schönste Spermium überhaupt eine Chance hat, in die Eizelle zu kommen. Alle anderen bleiben auf der Strecke. Doch selbst wenn etwa 90 Prozent der Spermien nicht dem Idealtyp entsprächen und sogar gewisse Fehler hätten, sei das aus biologischer Sicht durchaus in Ordnung, sagt Leiber-Caspers.
Eltern werden immer älter
Das Durchschnittsalter von Erstgebärenden ist in den letzten Jahren immer weiter gestiegen und lag laut Statistischem Bundesamt im Jahr 2020 bei einem Alter von 30,2 Jahren. Bei einer Frau ab 35 gilt eine Schwangerschaft bereits als Risikoschwangerschaft. Beim Kind kann es beispielsweise zu Trisomie 21, dem Down-Syndrom, kommen. Auch die Väter werden mit durchschnittlich 33,2 Jahren immer älter.
In den letzten zehn Jahren hat sich die Forschung damit beschäftigt, wie die biologische Uhr von Männern tickt und welche Risiken es im Zusammenhang mit späten Vätern gibt. Zu eindeutigen Ergebnissen oder klaren Empfehlungen hat das allerdings bislang nicht geführt. Die Durchführung entsprechender Studien ist kompliziert, denn die Daten der Mutter müssen natürlich ebenfalls berücksichtigt werden. Und so sind die möglichen Kombinationen schier endlos.
“Es ist schwierig zu sehen, welches genau die einzelnen Faktoren sind, die dann für die Gesundheit des Kindes entscheidend sein können”, erklärt Leiber-Caspers. “Es gibt allerdings bestimmte Erkrankungen, bei denen man relativ sicher ist, dass das höhere Alter des Vaters eine Rolle spielt.”
Bei älteren Vätern steigt das Risiko für Erbkrankheiten
Bislang wurden etwa 20 Erbkrankheiten ausgemacht, auf die das Alter des Vaters einen Einfluss hat. Und während Trisomie 21 vor allem auf die Mutter zurückzuführen ist, spielt das Alter des Vaters gerade bei psychischen Störungen des Nachwuchses eine Rolle, etwa bei der Entwicklung von Schizophrenie oder einer bipolaren Störung. Kinder, die gezeugt wurden als ihr Vater bereits älter war, leiden häufiger unter psychischen Problemen und Autismus.
Kinder, deren Väter bei der Geburt älter als 45 Jahre waren, hatten ein 3,5 Mal höheres Risiko, Autismus zu entwickeln als Kinder mit einem Vater, der gerade mal Anfang 20 war als der Nachwuchs geboren wurde.
Väter werden mit durchschnittlich 33,2 Jahren immer älter
Zu diesen Erbkrankheiten gehört auch das sogenannte Antiphospholipid-Syndrom (APS), eine Autoimmunerkrankung. Sie kann sich in Lungenembolien äußern, Arthritis oder auch in Gedächtnisstörungen und Epilepsie. Es ist also eine sehr ernsthafte Erkrankung. Und die Prävalenz des Aufmerksamkeits-Defizit-Syndroms (ADS) war laut Studien bei Kindern mit älteren Vätern um etwa 13 Mal höher, bei einer bipolaren Störung sogar um 25 Mal höher. All das aber ist ein “Kann”, aber kein “Muss”.
Ältere Väter haben auch Vorteile
Auf der sozialen und gesellschaftlichen Ebene haben ältere Männer meist sogar einige Vorteile: Sie sind beruflich gefestigt, meist wirtschaftlich abgesichert und haben ein gutes soziales Netz. Sind sie schon in sehr fortgeschrittenem Alter können sie ihren Kindern mehr Zeit widmen als vielleicht jüngere Männer, die gerade erst dabei sind, ihr Leben aufzubauen. Und auch wenn die Spermien eines 40-, 50-, oder 60-Jährigen nicht mehr ganz so flink sind wie die eines jungen Mannes, ist ein Vater jenseits der 35 vielleicht etwas gelassener und auch etwas großzügiger im Umgang mit dem Nachwuchs.
“Ein kalendarisch 60-Jähriger ist biologisch vielleicht erst 50 oder 55. Aber natürlich kann man diskutieren, ob nun jemand mit 70 Jahren noch in gleicher Weise seine Vaterrolle ausfüllen und wirklich so mit seinen Kindern mithalten kann wie ein 25- oder 30-Jähriger”, sagt Leiber-Casters.