Aus Protest gegen die geplante Rentenreform sind in Frankreich Hunderttausende Menschen auf die Straße gegangen. Das Innenministerium sprach von insgesamt 1,1 Millionen Teilnehmern, die Gewerkschaft CGT nannte eine fast doppelt so hohe Zahl. Nach Angaben der Gewerkschaften gab es Kundgebungen in 250 Orten. In Paris setzten Einsatzkräfte Tränengas gegen Protestierer ein, nachdem Maskierte aus deren Reihen mit Gegenständen geworfen hatten. Mitglieder des sogenannten schwarzen Blocks hatten sich unter die größtenteils friedlichen Demonstranten gemischt.
Massive Streiks legten Teile des öffentlichen Lebens lahm. Betroffen waren unter anderem Schulen, Züge, der Pariser Nahverkehr, Raffinerien und der öffentliche Dienst. Am Pariser Flughafen Orly fiel etwa ein Fünftel der Flüge aus. Etwa ein Drittel aller Grundschulen blieb geschlossen. In der Hauptstadt hatten Banken und Geschäfte ihre Schaufenster aus Angst vor Ausschreitungen verbarrikadiert. Landesweit waren 10.000 Polizisten und Gendarmen mobilisiert.
Vereinzelt ging die Polizei in der Hauptstadt mit Tränengas gegen Demonstranten vor
Die Mitte-Regierung in Paris will das reguläre Renteneintrittsalter schrittweise von 62 auf 64 Jahre anheben. Außerdem soll die Zahl der nötigen Einzahlungsjahre für eine volle Rente schneller steigen. Etliche Einzelsysteme mit Privilegien für bestimmte Berufsgruppen sollen abgeschafft werden. Die Maßnahmen sollen helfen, das Rentensystem langfristig zu finanzieren.
Allerdings beginnt schon jetzt für viele Franzosen der Ruhestand später als mit 62 Jahren. Viele, die nicht lange genug eingezahlt haben, um Anspruch auf volle Rentenbezüge zu haben, arbeiten auch länger. Mit 67 Jahren hat man unabhängig von der Einzahldauer in Frankreich einen vollen Rentenanspruch – dies will die Regierung beibehalten. Die monatliche Mindestrente will sie auf etwa 1200 Euro hochsetzen. Für Menschen, die besonders früh angefangen haben zu arbeiten oder deren Arbeitsbedingungen außergewöhnlich hart sind, soll es früher in den Ruhestand gehen.
Auch der Zugverkehr war von den Streiks betroffen – hier der Bahnhof Montparnasse in Paris
Massive Kritik kommt von den Gewerkschaften. Sie prangern die geplante Rentenreform als “brutal” an. Die Lage derer, die vor dem Ruhestand keinen Job mehr haben, werde sich verschärfen. Auch der drohende Wegfall von Sonderregelungen wird kritisiert.
Präsident Emmanuel Macron hatte bereits in seiner ersten Amtszeit das Rentensystem reformieren wollen. Wochenlang gab es Streiks und Proteste, an denen sich zum Höhepunkt etwa 800.000 Menschen beteiligt hatten. Letztlich wurde das Vorhaben wegen der Corona-Pandemie verschoben.
se/jj/qu (afp, dpa, rtr)